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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ihr war schwindlig vom Schlafmangel.
    Am Himmel tauchte schemenhaft ein Flugzeug auf. Es folgte der Linie der Straße und hielt direkt auf
die Kolonne zu. Die Leute wurden langsamer. Mary schaute ungläubig zu.
    »Ich glaube, das ist eine von unseren«, meinte ein alter Mann.
    Die Maschine kam heulend herab.
    »Das ist ein verdammter Stuka!«, schrie jemand.
    Als die Maschinengewehre das Feuer eröffneten, liefen die Leute schreiend auseinander. Mary sprang von der Straße und warf sich in ein stoppeliges Feld. Kugeln prallten singend vom Straßenbelag ab, als das Flugzeug im Tiefflug über sie hinwegbrummte. Dann fiel eine Bombe mit verheerendem Krachen und machte so etwas wie einen blutigen Tupfer in die Menge.

XXI
    Gegen Mittag gelangte die deutsche Kolonne schließlich nach Windmill Hill. Es war lediglich ein von Ackerland umgebener Weiler. Hier hörte Ernst an die Vorhut gerichtete Werdarufe in seiner Sprache. Einheiten der Vierunddreißigsten, die bei Bexhill gelandet war, hatten den Weiler bereits eingenommen.
    Die Kolonne löste sich auf. Während Wachposten patrouillierten, versammelten sich die Männer in kleinen Gruppen. Sie saßen im Schmutz herum, aßen ihre Feldrationen, massierten ihre nackten Füße und tauschten Horrorgeschichten über die Landung aus.
    Ein paar Männer wurden abkommandiert, in die Häuser einzudringen und die nahe gelegenen Bauernhöfe zu durchsuchen. Sie fanden keine Nahrungsmittel, keine Benzinvorräte in den Scheunen und keine Pferde, obwohl einige der Männer mit Souvenirs herauskamen  – einem Foto des Königs, englischen Zeitungen, einem Flugblatt der Regierung mit Ratschlägen, was zu tun sei, »wenn der Invasor kommt«, über das sich die Männer köstlich amüsierten.
    Jemand entdeckte ein zurückgelassenes Auto. Ein paar Männer verbrachten einige Minuten mit dem Versuch, es anzulassen, aber der Verteilerfinger war
entfernt worden. Ein anderer Mann förderte ein Fahrrad zutage, so klein, dass es offenbar für ein Kind gedacht gewesen war. Aber selbst das war fahruntüchtig gemacht worden: Man hatte das Vorderrad verbogen und die Kette zerrissen. Trotzdem versuchte der Mann, damit zu fahren, die Beine angezogen, so dass seine großen Knie in die Luft ragten. Er fiel dauernd herunter und erntete ein paar Lacher.
    Ernst schlenderte umher. An einer Scheune sah er mit dicker weißer Tünche aufgetragene Wandschmierereien. Da war ein riesiges »V«, vielleicht eine Nachahmung von Churchills berühmt-berüchtigter Geste. Und an einer anderen Wand stand, unverblümter: VERPISST EUCH TEUTONEN.
    Nach einer Stunde in Windmill Hill formierte sich die Kolonne erneut, verstärkt durch die Männer der Vierunddreißigsten und ein paar zusätzliche Panzer. Die Gefangenen wurden mit einem Wachkommando nach Bexhill geschickt. Ernst war guter Dinge, als die Kolonne zu einem weiteren kilometerlangen Marsch die Hauptstraße entlang aufbrach, der sie zu einem Ort namens Battle führen würde – das versicherten ihnen jedenfalls die Kundschafter. Alle Wegweiser und Ortsschilder waren von ihren Pfosten abmontiert worden, so dass die normalen Soldaten nicht so recht wussten, wo sie sich befanden; die grüne englische Landschaft sah überall weitgehend gleich aus, ganz egal, in welche Richtung man marschierte.
    An der Boreham Street stießen sie auf eine Hauptstraße. Auch hier war keine Menschenseele zu sehen,
aber die Pioniere entdeckten eine Tankstelle, geschmückt mit Metallschildern, die für Shell und Mobiloil warben. Sie war ebenfalls verlassen, aber die Pioniere stellten rasch fest, dass einer der großen, unterirdischen Tanks nicht leer war. Bald saugten sie den Treibstoff ab und befüllten die Lastwagen.
    Eine halbe Stunde später hustete jedoch der erste LKW und kam knatternd zum Stehen. Der Treibstoff, den sie getankt hatten, war zu einem klebrigen Schlamm verbrannt und ruinierte den Motor. Er war offenbar mit einem Zusatzstoff versetzt gewesen, vielleicht mit Zucker. Fluchend ließen die Pioniere alle an der Boreham Street betankten Lastwagen anhalten und befüllten sie erneut mit Treibstoff aus den vom Kontinent mitgebrachten, schwindenden Vorräten der Kolonne. Es war eine weitere Verzögerung, eine weitere verlorene Stunde, ein weiteres ruiniertes Fahrzeug.
    Als die Kolonne sich Battle näherte, gestaltete sich die Landschaft schwieriger: schmale Täler und niedrige Hügel, ein Teppich aus Feldern, Hecken und Wäldchen  – ideale Deckung. Die Männer rückten vorsichtig und so

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