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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Widerspruch festzustellen. Denn sehen Sie, wenn es in seinem Modelluniversum keine globale Zeit gibt, kann man nicht davon ausgehen, dass es in unserem eine gibt, denn es besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen den Universen. Und darum ist unser inneres Zeitgefühl, unsere elementarste Wahrnehmung des Universums, in Wahrheit eine Illusion.« Sein Blick ging ins Leere. »Ich muss sagen, wenn ich nachts wach liege, macht mir solches Zeug mehr Angst als alle Panzer in Deutschland. Der arme alte Gödel.«
    »Aber womit wir uns befassen müssen«, sagte Mary, »ist die praktische Anwendung.«
    »Ganz recht.« Er friemelte an seiner Pfeife herum, stopfte die letzten Fäden seines kostbaren Tabaks fest und zündete sie an. Mary hatte solch pingeliges Gefummel bei Rauchern beobachtet, seit der Tabak rationiert worden war. Er blies Rauch zur Decke empor. »Jetzt müssen wir wieder auf Ben Kamen zurückkommen  – und nachdem ich Sie in die Tiefen von Raum und Zeit entführt habe, möchte ich Sie bitten, noch einen Sprung ins Ungewisse zu wagen. Denn in Princeton hat Ben zusammen mit einem Studenten namens Rory O’Malley eine weitere Reihe neuer Ideen entwickelt …

    Gödels Theorie lässt darauf schließen, dass es vielleicht einen Pfad gibt, der Gegenwart und Vergangenheit verbindet – etwa diesen Raum und die Römerfestung des Jahres 200 nach Christus, aus deren Ruinen er erbaut worden ist. Die Frage lautet: Wie findet man auf diesem Pfad zu seinem Ziel? Haben Sie schon mal etwas von einem Schriftsteller namens John William Dunne gehört?«
    »Ich glaube schon«, sagte Mary. »Hat er was mit J. B. Priestley zu tun?«
    Dunne war Brite, ein Flugzeugkonstrukteur. Er hatte als Soldat gedient und war nach dem Burenkrieg als Invalide entlassen worden. Er hatte sich für die Zeitwahrnehmung zu interessieren begonnen, nachdem ihm, wie er glaubte, durch einen Traum ein Blick in die Zukunft vergönnt gewesen war.
    Mackie machte eine leicht abschätzige Handbewegung. »Unausgegorenes Zeug, das in gewissen Künstlerkreisen  – Stückeschreiber, Romanautoren und so weiter – von Zeit zu Zeit Mode wird. Deshalb bringen Sie ihn wohl mit Priestley in Verbindung. Was Dunnes Arbeit Glaubwürdigkeit verleiht, ist jedoch eine Patina der Wissenschaftlichkeit. Er war Ingenieur. Also geht er sogar in Bezug auf seine Träume methodisch vor; er wertet sie statistisch aus; er formuliert seine Ideen in einer Sprache, die fast schon nach Einstein klingt. Dunne behauptet im Grunde, dass wir uns im Schlaf von den Fesseln der Zeit befreien. Er stellt sich die Zeit als eine zusätzliche Dimension vor, eine Landschaft, die man erforschen kann. Manche erinnern sich an
das, was sie auf ihren Traumreisen sehen, andere nicht. Und wieder andere sind vielleicht imstande, die Reisen ihres Traum-Ichs zu lenken .«
    Es war sehr seltsam für Mary, diese Ideen aus dem Munde eines seriösen Mannes mittleren Alters in einer nüchternen Navy-Uniform zu hören.
    »Rory O’Malley hat Ben Kamen mit Dunnes Ideen bekannt gemacht«, fuhr Mackie unbekümmert fort. »Es kann sein, dass Ben eine solche Fähigkeit, diese ›Traum-Präkognition‹, besitzt. Vielleicht aber auch nicht – interessanterweise scheint er selbst es zu bestreiten.« Er sah sie an. »Vielleicht merken Sie, worauf ich mit all dem hinauswill.«
    Sie nickte. »Wenn man es zusammensetzt – Gödel zeigt, dass es Wege von der Gegenwart in die Vergangenheit geben kann. Und Dunne behauptet, es wäre eventuell möglich, solche Wege zu erkunden.«
    »Sich von der Gegenwart in die Vergangenheit zu träumen – und vielleicht ein bisschen herumzupfuschen, wenn man dorthin gelangt. Wir glauben nicht, dass man mit dieser Methode in die Vergangenheit reisen könnte, aber unter Umständen ließen sich Informationen zurückschicken – etwa in Form eines Traums oder einer Vision, der oder die einer anderen ruhelosen Seele eingepflanzt wird.«
    Was, überlegte sie mit wachsender Erregung und Furcht, genau der vermutliche Ursprung vieler der historischen »Ablenkungen« im Zeugnis des Geoffrey Cotesford war.
    »Aber vielleicht brauchte man dazu einen Ben Kamen«,
sagte Mackie. »Einen Mann, der – womöglich  – diese eigentümliche präkognitive Fähigkeit besitzt, zugleich aber auch intelligent genug ist, um Gödels mathematische Lösungen zu verstehen.« Er lächelte. »Ist es nicht ein wundervoller Gedanke, in der Zukunft und der Vergangenheit ebenso frei umherschweifen zu können, wie man

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