Diktator
hier?«
»Nun, Einsteins Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie sind nur eines von vielen Beispielen für einen Satz von Differentialgleichungen. Es ist verteufelt schwer, irgendeine analytische Lösung aus ihnen herauszuholen. Und wenn man Lösungen der Gödel’schen Art herausholen muss, die Flugbahnen von der Gegenwart in die Vergangenheit beschreiben …«
»Oh. Dann braucht man so eine Maschine.«
»Wir wissen, dass Kamen und O’Malley in Princeton Zugang zu einem Analysator hatten. Und wir glauben, obwohl wir nicht sicher sind, dass Fiveash und ihre Nazi-Kumpane in Richborough so ein Gerät bauen. Wir, oder vielmehr die mathematischen Eierköpfe, die ich für diese Aufgabe rekrutiert habe, dachten, wir sollten uns selbst mit Gödels Lösungen befassen, wenn wir aus all dem schlau werden wollten. Daher das scheußliche Ding, das Sie da vor sich sehen.«
»Soeine Art Was-passiert-dann-Maschine,stimmt’s?« Mary hätte die Apparatur gern berührt, hätte gern an den kleinen Hebeln gezogen und die Rollen gedreht. »Mussten Sie diese klitzekleinen Teile extra anfertigen lassen?«
»Ehrlich gesagt, nein. Sie stammen aus einem Meccano-Set.«
»Meccano?«
»Ein Metallbaukasten für Kinder.«
»Ein Spielzeug ? Sie haben Ihre Rechenmaschine aus einem Spielzeug gemacht?«
Er räusperte sich. »Schon ein bisschen peinlich, das einer Amerikanerin gegenüber zugeben zu müssen – aber ja, ich fürchte, so ist es. Ziemlich britisch, meinen Sie nicht? Natürlich wird es darum umso befriedigender sein, wenn es uns gelingt, die Bösen damit zu schlagen.« Er rieb sich die Hände. »Gehen wir wieder ins Büro, dann können Sie mir alles über die historischen Dinge erzählen, die Sie ausgegraben haben.«
XII
Zurück in Mackies Küchen-Arbeitszimmer, öffnete sie ihre Aktentasche und breitete den Inhalt auf dem Tisch aus.
»Es fängt wieder mit Ben Kamen an. Als er nach England kam, stellte er selbst ein paar Nachforschungen an – er ist ein heller Bursche – und förderte dabei eine mittelalterliche Studie über historische Anomalien zutage.«
»Sie machen Witze.«
»Keineswegs. Er lernte Gary kennen und fand heraus, dass seine Mutter eine Spezialistin für diese Zeit ist, und als er mich dann traf, hat er mich auf die Sache angesetzt.«
Kamen hatte die Lebenserinnerungen eines Mönchs aus dem fünfzehnten Jahrhundert namens Geoffrey Cotesford gefunden. Sie hob ein Stück Papier auf und las laut vor: »›Der Zeitteppich: Wie von mir dargestellt‹, also von Geoffrey Cotesford. ›Bei dem die langen Kettfäden die Geschichte der ganzen Welt sind und die von einer Webkante zur anderen verlaufenden Schussfäden Verzerrungen dieser Geschichte infolge der Ablenkungsmanöver eines unbekannten Webers, sei er nun Mensch, Gott oder Teufel …‹«
»Ablenkungen der Geschichte«, murmelte Mackie.
»Ja. Sehr vielsagend, nicht wahr? Cotesford glaubte, selbst so ein Ablenkungsmanöver erlebt zu haben, und auf andere war er aufmerksam gemacht worden. Er stellte einige Nachforschungen an – er war ein Franziskanermönch, ein Gelehrter, und er wusste, was er tat. Außerdem hatte er Zugang zu Quellen, zum Beispiel in den muslimischen Bibliotheken in Spanien, die uns leider verloren gegangen sind. Sehr gute Arbeit, unter den gegebenen Umständen.
Insgesamt fand er Beweise für sechs Ablenkungsversuche. Er ging zurück bis zu einer Prophezeiung, die eine Britannierin angeblich genau hier in Birdoswald von sich gegeben hatte, einige Jahrzehnte vor der römischen Invasion des Landes. Sie heißt ›die Prophezeiung des Nectovelin‹. Auf die habe ich mich zuerst konzentriert. Der Text dieser Prophezeiung – zumindest das Original – ist verloren gegangen. Aber Geoffrey hat in einer alten maurischen Bibliothek in Toledo Auszüge daraus gefunden. Nur ein paar Zeilen – hier.« Sie reichte ihm ein Papier.
Mackie las:
Ach Kind! Verwoben in den Wandteppich der Zeit, und dennoch frei geboren,
Cum fortia sing ich dir von dem, was ist und was sein wird, und
Obendrein von allen Menschen, Göttern, und von drei mächt’gen Kaisern …
»Wir wissen nicht, wie viel verloren gegangen oder bei den mehrfachen Abschriften verstümmelt worden ist. Wir kennen nicht einmal den Zweck des Ablenkungsmanövers, falls es eins war. Geoffrey hat Vermutungen darüber angestellt, dass es etwas mit Kaiser Konstantin zu tun haben könnte.«
»Konstantin? Der hat doch etliche hundert Jahre später gelebt. Was hat der mit
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