Diktator
sie Gary zum letzten Mal gesehen hatte, so nah an ihn heranzukommen, und alles wegen einer Lüge.
»Aber selbst wenn Sie es bis nach Richborough schaffen, brauchen Sie einen Grund, um an Fiveash und Trojan und deren Ahnenerbe-Spinner heranzukommen.
Sie sagen, Sie sind den beiden schon mal begegnet, aber Sie sind wegen Ihres Artikels über den Vorfall bei Peter’s Well schließlich nicht ganz unbekannt bei den Nazis. Wir brauchen einen Bluff, mit dem Sie sich Zugang verschaffen können. Hmm. Ich denke, da wird uns schon noch was einfallen.« Er warf einen Blick auf den Römerspeer an der Wand hinter ihm. »Wir müssen ein bisschen nachdenken. Kommen Sie! Machen wir noch einen Spaziergang?«
Mary stand auf. »Sie sind ein unruhiger Typ, wie?«
»Habe zu viel Zeit auf Schiffen verbracht, als dass ich eine Gelegenheit, mir die Beine zu vertreten, ungenutzt verstreichen ließe … Nehmen Sie Ihre Papiere mit.«
XIII
Sie durchquerten das Zentrum des Römerlagers in südlicher Richtung. Die Sonne war emporgestiegen, aber am Himmel hingen vereinzelte Wolken, und es lag ein wenig Feuchtigkeit in der Luft. Die Stimmung war herbstlich. Unterwegs sah er flüchtig ihre Papiere durch und kritzelte mit einem Bleistiftstummel etwas auf einen Notizblock.
Am Südrand des Lagers fiel das Land spektakulär ab und gab den Blick auf einen Fluss, der sich durch sein Tal schlängelte, und eine wellige Landschaft dahinter frei. »An einem guten Tag kann man die Hügel des Lake District erkennen«, sagte Mackie. »Bisschen trüb heute. Herbstnebel und was weiß ich noch alles.«
»Ich frage mich, ob die Deutschen jemals so weit kommen werden, ob ihr den Hadrianswall mit Bunkern und Stacheldrahtzäunen versehen müsst.«
»Hoffentlich nicht, aber möglich ist es wohl. Andererseits treiben wir sie vielleicht einfach zurück ins Meer, woher sie gekommen sind.«
»Die Geschichte ist wirklich eine fragile Angelegenheit, nicht? In diesem Moment eröffnen sich so viele Möglichkeiten für die Zukunft, ausgehend von der Kriegslage.«
»Ja, stimmt. Aber gerade das macht es für uns so schwierig. Alles ist in der Schwebe. Ihr Amerikaner unterstützt uns, aber noch seid ihr nicht in den Krieg eingetreten, obwohl Churchill sich alle Mühe gegeben hat, euch dazu zu bewegen. Und es besteht die reale Gefahr, dass wir besiegt werden. Die Geschichte scheint nicht auf unserer Seite zu sein. Ich meine, wenn man sich das globale Bild ansieht, dann gibt es da diese schrecklichen totalitären Reiche, die Deutschen, Japaner und Italiener, die einfach die Welt verschlingen. Sollte es Hitler jemals gelingen, ein Hakenkreuz an den Wall zu setzen, könnte es womöglich sehr lange dauern, bis wir ihn wieder loswerden. Die Christen haben Jahrhunderte gebraucht, um die Mauren aus Spanien zu vertreiben, oder? Rudolf Hess, Hitlers Stellvertreter, ist gerade in York und verhandelt über einen Waffenstillstand. Viele im britischen Establishment wollen ihm zuhören – und glauben Sie mir, noch viel mehr sympathisieren mit Hitlers globalen Kriegszielen, weil sie den Bolschewismus mehr fürchten und verabscheuen als die Nazis.«
»Und all das prägt Ihre Ansichten über unsere Optionen.«
»Genau. Wir dürfen die Militärregierung im Protektorat nicht allzu sehr provozieren; womöglich beschließen wir ja, dieses Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. Andererseits müssen wir versuchen, die Amerikaner weiterhin auf unserer Seite zu behalten. Verdammt knifflig, das alles. Wir müssen diskret sein. Keine der Parteien darf übermäßig beunruhigt
werden. Es wird eine verdeckte Operation sein müssen, die man vielleicht als willkürlichen Akt der Hilfstruppen abtun kann. Es könnte sogar sein, dass sich die Regierung von uns distanziert, wenn wir erwischt werden.« Selbst während er sprach, malte er auf seinem Block herum. »Aber wie gesagt, das ist alles rein hypothetisch, sofern ich keine Unterstützung von meinen Vorgesetzten kriege, und dafür brauchen wir irgendeinen klaren Beweis , dass dieses Material aus der Jetztzeit stammt – einen Beweis, dass wir nicht die Opfer eines Streichs oder eines Missverständnisses sind. Ich muss Ihnen sagen, dass nicht alle Fachleute, die ich zurate gezogen habe, unsere Position unterstützen.« Er wühlte in seiner Tasche und brachte einen Fetzen Papier zum Vorschein. »Dachte, Sie würden das vielleicht gern sehen.«
Es war ein Brief, abgefasst in einer ordentlichen, aber zittrigen Handschrift. Sie las: »Ich
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