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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kannte sie bereits seit Jahren und hatte ihn völlig ihrem Willen unterworfen. Aber Roger genügte nicht. Deshalb hatte sie Michael ausgewählt und Tom. Und als die Übereinstimmung hergestellt war, hatte sie ihnen ihre Absichten erklärt.
    Sie wollte sie als zusätzliche Kraftquelle, als Verstärker benutzen, um ein psionisches Signal durchs Meer an die Oberfläche zu senden. Allein war sie dazu zu schwach. Gemeinsam aber konnten sie beinahe alles erreichen.
    Die vier jungen Leute lagen auf Sofas in Marys Zimmer. Mit kalter Wut peitschte sie sie zu der Einheit zusammen, die sie brauchte. Michael hatte sich widersetzt. Schließlich winkte jedem die Todesstrafe, dessen Geist die Grenzen Neu-Baltimores sprengte. Mary aber hatte jeden Einwand niedergerungen. Mit Schmeicheleien, Bitten und Befehlen hatte sie die Vier zu einer unverbrüchlichen Einheit zusammengeschweißt.
    Und jetzt tastete sich die aus vier Bewußtseinen gebildete Kraft an den Wasserspiegel heran.
    Mary hatte dreidimensionale Aufnahmen auf den gewölbten Bildschirmen der Gemeinschaftshalle betrachtet. Sie konnte sich ein ungefähres Bild von der Oberflächenwelt machen: eine schwarze Küste aus verbrannter Erde, geschmolzenem Glas und Ruinen. Aber sie wollte es mit eigenen Augen sehen. Sie dürstete nach dem unmittelbaren visuellen Erlebnis dieser toten Erdkruste, die das Ergebnis verbrecherischen menschlichen Tuns war. Verbrechen reizten sie.
    Aufwärts ging die Reise. Mary fühlte, wie Michael und Tom und Roger sich an sie klammerten und ihr halfen, den Impuls voran zu treiben. Den Leib zusammengerollt, die Augen fest geschlossen, konzentrierte sie sich auf die Aufgabe.
    Langsam erhellte sich das schwarze Wasser und ging in dunkles Grün über, als sie sich der sonnenbestrahlten Zone näherten. Im Alleingang war sie noch nie so weit vorgestoßen. Jetzt schwang sich ihr Geist beinahe mühelos an den Wasserspiegel heran. Dann durchbrach sie unvermittelt die Schranke des Wassers. Sie war aufgetaucht.
    Michael, Tom und Roger waren nach wie vor neben ihr.
    Der Anblick des Landes war atemberaubend.
    Als erstes sah sie die Sonne. Sie war zwar kleiner, als sie vermutet hatte, aber immerhin ein imponierender Lichtquell im stahlblauen Himmel. Weiße Schäfchenwolken schwammen unter der Sonne dahin.
    Neu-Baltimore lag einige Meilen vom Festland entfernt. Träge, aber doch mit der beinahe schlagartigen Geschwindigkeit des Gedankens glitten sie landwärts, um die Verwüstungen zu sehen.
    Der Schock war unbeschreiblich.
    Zu viert schwebten sie landeinwärts und hielten nach den schwarzen, verbrannten Feldern, der toten Erde Ausschau. Doch was sich ihnen darbot, war zartes Grün, unberührte Grasteppiche und hohe Bäume, die sich unter der Last ihrer Früchte bogen. Tiere grasten friedlich auf üppigen Weiden. In der Ferne schimmerten grüne Berge in der Sonne.
    Vögel sangen. Der Wind säuselte sanft durch nickende Bäume. Es war, als sei dieses Land niemals von Menschenhand berührt worden.
    Ist es möglich, daß die Wunden so bald schon verheilt sind? überlegte Mary. Seit den verheerenden Bombardierungen war kaum ein Jahrhundert verflossen. Staunend führte sie den vierfachen Geistesblock durch den lauen Himmel zur Erde.
    Sie landeten auf einer duftenden Frühlingswiese. So viel unerwartete Schönheit schüchterte Mary beinahe ein. Geschöpfe näherten sich ihnen. Sie glitten über das Gras, ohne es zu zertreten. Das waren keine verunstalteten Mutanten, denen sie eventuell noch einige Überlebenschancen eingeräumt hätte, sondern hochgewachsene, gottähnliche Wesen, die ihnen strahlend entgegenlächelten.
    Ungestümes Glück durchrieselte Mary und damit auch ihre drei Kameraden. Es konnte nicht schwer sein, ihre Körper aus den Tiefen zu teleportieren. Sie würden hier in diesem zauberhaften Land leben und das enge Neu-Baltimore verlassen. Sie erweiterte ihren Wahrnehmungsradius. Wohin sie auch blickte, sie fand nur Schönheit und Frieden. Nichts erinnerte an die Zerstörung.
    Vielleicht hat gar kein Krieg stattgefunden, dachte sie. Die Landbewohner haben unsere Vorfahren ins Meer geschickt und angeschwindelt.
    Und wir haben hundert Jahre hindurch geglaubt, die Erdoberfläche sei strahlenverseucht, todbringend.
    Zum erstenmal in ihrem Leben war Mary frei von Mißgunst. In dieser grünenden Welt war kein Raum für Bitterkeit. Die Sonne wärmte das fruchtbare Land, und alles war gut.
    Alles…
    Plötzlich zerrten hemmende Impulse an dem Gedankenfaden, mit dem die

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