Dimension 12
seinen Satz nicht zu Ende und öffnete die Tür.
Träge strich Mary Foyle ihre Kleider zurecht und blickte zu Roger auf. Er war mager, wie alle Männer Neu-Baltimores, aber muskulös und kräftig. Er war ein Jahr jünger als sie. Gleich ihr verfügte er über außer sinnliche Kräfte, aber er war willens schwach und unentschlossen.
»Du wirst deine außersinnlichen Kräfte vernichten, wenn du sie unterdrückst«, lautete ihre unfreundliche Gedankenbotschaft an ihn.
»Entschuldige den Fehler.«
Drohend sah sie ihn an. »Mir darf auch kein Fehler unterlaufen.«
»Ich habe niemals bestritten, daß du mir weit überlegen bist, Mary. Deine Fähigkeiten sind größer, als die von uns dreien zusammen…«
»Still«, befahl sie. »Die anderen kommen. Und steh nicht da wie ein Vollidiot.«
Ihr Geist hatte die Ankunft der beiden anderen Mitglieder ihrer kleinen Gruppe entdeckt. Sekunden später hatte auch Rogers langsamerer Geist das Signal erhalten, und er ergänzte Marys frostige Begrüßung mit ein paar freundlichen Gedanken.
Michael Sharp trat zuerst ein. Ihm folgte Tom Devers. Beide waren Ende Zwanzig. In ihnen waren die außersinnlichen Kräfte langsam herangereift. Mary wußte erst seit zwei Jahren von ihren Fähigkeiten. Roger hingegen stand schon seit neun Jahren unter ihrem Einfluß. Sie selbst hatte vor fünfzehn Jahren die ersten Anzeichen von ESP in sich gefühlt.
Die vier Bewußtseine verschmolzen einen Augenblick in der Begrüßung, aber Marys Geist dominierte wie immer. Nie gab sie ihre Überlegenheit auf, der sie die Führung der kleinen Gruppe verdankte. Die Begrüßung war beendet. Die Vier hatten sich vereinigt. Die Zimmerwände rückten scheinbar zusammen, bis sie die eins gewordenen Bewußtseine der Vier wie ein Schraubstock umklammerten.
»Nun?« fragte Mary herausfordernd. Sie spürte Rogers unwillkürliches Zurückweichen. »Nun?« wiederholte sie absichtlich schärfer.
Langsam, kläglich erfolgten die Antworten: bejahend von Michael, bejahend von Tom, ohne rechte Überzeugung von Roger. Mary lächelte triumphierend.
Roger setzte in Gedanken zögernd hinzu: »Natürlich begeben wir uns in größte Gefahr…«
»Um so spannender.«
»Ertappt man uns, sind wir erledigt…«
Ungeduldig griff Mary nach Roger aus, erfaßte ihn und berichtigte Rogers Drüsentätigkeit. Seine Angstgefühle legten sich, die Kleinmütigkeit schwand.
»Schön«, sagte Roger. Seine geistige Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich mache mit.«
»Dann sind wir uns also einig«, sagte Mary. Ihr Geist zog die Bewußtseine der drei mageren, bleichen Männer an sich, die vor ihr standen. Die Grenzen des kleinen Zimmers wurden noch enger und schrumpften auf die Größe von Marys Gehirn zusammen. Dann weiteten sie sich nach außen.
Vier ineinander verschmolzene Bewußtseine sprangen fünftausend Fuß himmelwärts, hinauf zum verbrannten Land.
Allein wäre Mary diese Leistung niemals gelungen. Sie hatte es versucht, war aber jedesmal gescheitert. Ihre Schwäche hatte sie verbittert. Sie hatte ihren Geist als Kundschafter über den Meeresboden gesandt. Durch den schleimigen Korallengrund war sie nach Neu-Chicago, Neu-London, Neu-Miami und zu den anderen überdachten Städten auf dem Meeresboden vorgedrungen. Jedem Esper war es streng verboten, sich mit dem Bewohner einer anderen Kuppel in Verbindung zu setzen, aber Mary hatte sich nie viel um Gesetze gekümmert.
Sie hatte die anderen Städte auf dem Meeresgrund tadellos erreicht – obwohl sie bei der Anstrengung, Neu-London anzupeilen, in Schweiß und außer Atem geraten war. Aber es war ihr mal gelungen, den Wasserspiegel zu durchstoßen. Immer wieder hatte sie konzentrierte Gedankenpfeile gegen die schwere Wasserdecke über der Stadt abgeschossen. Sie war fest entschlossen gewesen, die Fluten zu teilen und das menschenleere öde Land zu erblicken, das den Strahlentod gestorben war. Sie wollte den Himmel in seiner blauen Leuchtkraft sehen und das sengende Gold der Sonne.
Sie hatte versagt. Knapp tausend Fuß unter dem Wasserspiegel war der Impuls erlahmt, der Gedankenpfeil abgestumpft und zurückgesunken. In der Ungestörtheit ihres Zimmers hatte sie den Versuch hartnäckig wiederholt, bis ihr die Kleider schweißnaß am Leib geklebt hatten.
Gedemütigt hatte sie erkannt, daß sie Hilfe brauchte.
Das war ein schwerer Schlag für sie gewesen. Verstohlen hatte Mary sich aus den zweihundert Espern Neu-Baltimores jene ausgesucht, die ihr nützen konnten. Roger
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