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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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organisch aussah, wagte sie gar nicht zu denken. Aber das Gesamtkonzept seines Körpers war menschlich. Haugan stand aufrecht, hatte zwei Extremitäten zum Gehen und zwei zum Greifen, trug Stirn, Augen und Zähne im gleichen flachen Oval und fand es angenehm, sich beim Liebesakt auf seine Frauen zu legen. Elena fand ihn nicht länger grotesk.
    Sie hockten sich auf die Matte. Das Abendessen wurde aufgetragen. Es bestand aus gekochtem Fleisch, grünem Wein und stärkehaltigem Gemüse. Haugans Hausmädchen Leegar setzte es ihnen schweigend vor. Ihr Leib wölbte sich im sechsten Monat. Natürlich war Haugan der Vater. Es war das Vorrecht des Häuptlings, Konkubinen zu haben. Das Mädchen war schüchtern, aber gleichzeitig stolz auf ihren Zustand. Lächelnd servierte sie Elenas Essen. Sie schien zu sagen: »Du bist zwar die Frau des Königs, aber ich trage seine Kinder aus!«
    Elena hatte sich noch immer nicht an den Anblick der Frauen gewöhnt, die drei Reihen Brüste trugen, vom Hals bis zum Nabel. Angesichts der vielköpfigen Geburten war das natürlich eine vernünftige Einteilung, aber sie fand die Frauen trotzdem abstoßend, obgleich ihr Haugans kleine Absonderlichkeiten bereits vertraut waren. Das Gefühl schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Wenn sie nachts beisammen lagen, ruhten Haugans Hände auf ihrem flachen, straffen Brustkasten, als könnte er sich nicht genug über das Fehlen der vier unteren Brüste wundern. Elenas volle, feste Brüste selbst, auf die sie früher so stolz gewesen war und die sie vielen irdischen Liebhabern gezeigt hatte, interessierten ihn wenig. Seine königliche Begierde entzündete sich an ihrem glatten, brustlosen Oberkörper.
    »Bist du nicht hungrig?« fragte Haugan.
    »Der Vulkan, Haugan. Er jagt mir Angst ein.«
    »Gott gewährt uns seine Gnaden. Wir sind auf alles vorbereitet.«
    »Aber ich habe es deutlich gesehen. Er brodelt wie ein Hexenkessel. Jeden Augenblick kann uns die Lava begraben.«
    »Die Priester halten Wache. Die Lava braucht noch mehrere Tage.«
    »Aber…«
    Sie zögerte. Oft schlug sie einen schulmeisterlichen Ton an und schlüpfte damit in die Rolle der gebildeten Erdbewohnerin, die dem Eingeborenenhäuptling das Universum erklärte. Sie haßte diesen Zug ihres Charakters. Dies hier war seine Welt, seine Insel, sein Königreich. Es war dumm, sich einzubilden, sie sei ihm überlegen, weil ihre Zivilisation Raumschiffe kannte und sein Volk aus handgeformtem Tongeschirr aß.
    »Was schlägst du vor?« fragte er ruhig.
    »Ich weiß es nicht. Aber wäre es nicht vernünftiger, die drei Dörfer zu räumen? Wir sitzen unter dem Krater und warten darauf, daß er uns vernichtet.«
    »Wir haben noch genügend Zeit.«
    »Aber Haugan, die vielen Leute, die Haustiere, die Geräte, die Möbel…«
    »So rasch brechen wir nicht auf.«
    Er goß ihr Wein nach. Elena trank, und ihr wurde schwindlig. Haugan blieb ruhig. Aufreizend ruhig, fand sie. Er war wie ein Fels, unerschütterlich von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt. Mit jeder Entscheidung, von der Klärung eines Vaterschaftsstreits bis zum Aufbruchsbefehl aus der vulkanischen Zone war Haugan gleichermaßen ruhig und zuversichtlich, ein wahrer König.
    Nach dem Essen wanderten sie durchs Dorf, und das Volk jubelte ihnen zu. Vom Felsvorsprung des östlichen Abhangs betrachteten sie den Vulkan. Die Eruptionswolke hatte sich vergrößert, ebenso der glühende Auswurf, der aus dem Herzen des Aschenkegels aufwirbelte. Die Fackel schien sich geneigt zu haben und zeigte nach Westen. Dampf und schwarze Asche stiegen hoch und sanken zu Boden. Die Luft roch versengt. Elena blickte auf ihren Arm und sah, daß sich Asche an ihren goldenen Härchen angesetzt hatte. Sie machte Haugan darauf aufmerksam. Er streichelte sie und murmelte: »Du trägst überall diesen weichen Pelz. Nicht nur da und da und da. Von wenigen Stellen abgesehen, ist deine Haut von dem Flaum bedeckt! Herrlich!«
    »Haugan, das hast du doch schon früher bemerkt. Ich zeige dir die Asche. Die Luft ist davon erfüllt.«
    »Ja. Das wird noch schlimmer werden.«
    Offenbar war es ihm gleichgültig.
    Später kamen mehrere alte Männer zu ihm. Er schickte Elena in die Hütte und hockte sich vor dem Eingang mit den Alten hin. Sie beratschlagten über eine Stunde. Elena verstand sie nicht. Die Alten sprachen undeutlich, und Haugan antwortete flüsternd. Ab und zu schienen sie allerdings verschiedener Meinung zu sein. Eine Bemerkung der Alten machte Haugan wütend, und

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