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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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der Blick seiner kühlen blauen Augen schärfer gewesen war. Jetzt war er zurückgekehrt, um in seiner Vergangenheit zu suchen, was sein Leben verlängern konnte.
    Er stieg ab und ging neben seinem Tier ins Dorf. Das war ein Zeichen der Demut.
    Der erste V’Leeg, dem er begegnete, war ein etwa achtjähriger Junge, der mit untergeschlagenen Beinen vor einer Hütte saß und mit einem Zweig im Sand zeichnete. Als sich Barchay näherte, stand der Junge auf, sah ihn feindselig an, spuckte aus und verschwand eilig in der Hütte.
    Eine feine Begrüßung, dachte Barchay.
    Nach kurzem Warten traten zwei erwachsene V’Leegs aus der Hütte. Der Mann war groß für einen V’Leeg, etwa einssiebzig, aber immer noch gut zehn Zentimeter kleiner als Barchay. Seine schwarzen, lidlosen Augen saßen in der Mitte seines breiten Gesichtes, das beidseitig von gefurchten Schutzwülsten eingefaßt war. Seine apfelrote Haut erinnerte an Leder. Er war nackt.
    Das Weib war bedeutend kleiner als er und häßlich. Sie war mehr Tier als Frau. Schwerarbeit hatte ihren Körper plump und gebeugt gemacht. Ihre mächtigen Brüste sahen aus wie Euter. Sie trug einen blauen Lendenschurz.
    »Wir dachten, euch endgültig los zu sein«, sagte der Mann in der zischenden Sprache der V’Leegs. »Wir haben doch genug von euch erschlagen, oder? Wir haben euch über die Berge in euer Land im Osten zurückgetrieben. Hunderte von euch haben wir den Vögeln überlassen, damit sie euch die Augen aushacken.«
    Barchay blieb ruhig. »Der Krieg ist aus«, sagte er gelassen in fließendem V’Leeg. »Es wurde vereinbart, daß Menschen und V’Leegs einander nicht mehr bekämpfen sollen.«
    »Und daß ihr am Meer bleibt und uns ungeschoren laßt. Wozu kommst du her?«
    Barchay sah, daß der V’Leeg in Wut geriet. Er wußte, welche Kraft in diesen mächtigen Muskeln wohnte. Verstohlen griff er nach der Waffe an seinem Gürtel. Er hatte noch keine Lust zu sterben.
    »Ich suche etwas Bestimmtes«, sagte er. »Finde ich es, will ich wieder zurückkehren. Ich hege keine feindlichen Absichten.«
    Der V’Leeg ballte die Fäuste und setzte zu einer Antwort an, doch da kam plötzlich ein anderes Familienmitglied aus der Hütte. Sie war ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit langem, schwarzem Haar und schlankem, jungem Körper. Ihre Brüste waren hoch und fest, die Hüften sanft gerundet. Barchays müden Augen erschien sie beinahe menschlich. Zumindest, wenn er sie mit ihrer unförmigen Mutter verglich.
    Der V’Leeg-Mann drehte sich rasch um, stieß unartikulierte Zischlaute aus und schickte sie wütend wieder in die Hütte.
    »Ich wollte doch bloß schauen…«, sagte sie mit angenehmer, hoher Stimme. Sie warf Barchay einen verstohlenen Blick zu und flüchtete dann vor der erhobenen Hand ihres Vaters rasch in die Hütte.
    »Du willst unsere Frauen stehlen«, sagte der V’Leeg anklagend. »Wie ihr Irdischen das immer tut.«
    »Ich denke nicht daran, glaube mir. Deine Tochter ist vor mir sicher.« Barchays Raubzüge in dieser Richtung gehörten längst der Vergangenheit an. »Sag mir: regiert in diesem Dorf noch immer Häuptling V’Malku?«
    Feindselige Augen musterten ihn abweisend. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    »Ich wüßte es gern«, sagte Barchay und spürte, wie ihm der Schweiß über das Gesicht lief. Er hätte den sturen Kerl am liebsten beim Hals gepackt und so lange geschüttelt, bis er die gewünschte Antwort erhalten hatte, aber er beherrschte sich. Daß Gewalt zu nichts führte, wußte er. »Es ist wichtig für mich.«
    »Kümmert’s mich?«
    Barchay zuckte die Achseln und ergriff die Zügel seines Lauftiers. Als er es antreiben wollte, tat die Frau zum erstenmal den Mund auf.
    »V’Malku lebt.«
    Ihr Mann schnaubte wütend und versetzte ihr einen kräftigen Stoß mit dem Ellbogen, daß sie zu Boden fiel. Sie traf keine Anstalten, sich zu erheben, sondern starrte gekränkt den Boden an, als wäre er an allem schuld. Eine Wolke schob sich vor die Sonne und warf einen dunklen Schatten auf die Gruppe. Die Luft war plötzlich frostig.
    »Nun? Stimmt das?« fragte Barchay.
    »V’Malku lebt«, bestätigte der Mann widerwillig. »Ich führe dich zu ihm.«
    Schweigend schritt der Mann vor ihm über einen gewundenen Pfad, der vom Rand des Dorfes zu einem Platz mit dicht zusammengedrängten Hütten und vorbei an vielen plumpen, dunkeläugigen, neugierigen V’Leegs führte. Kleine Kinder, von denen manche wohl noch nie einen Menschen gesehen hatten, liefen

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