Diner des Grauens
Entzücken. »Das ist fa n tastisch!«
Earls Lippen öffneten sich und er entblößte in einem hündischen, stolzen Grinsen lange, gelbe Zähne. Er brauc h te einen Augenblick, um seine Vierbeinerform zu ordnen und das B e dürfnis zu verdrängen, auf all die Grabsteine in der Umgebung zu pinkeln.
Sie streckte die Hand aus und kraulte seine Schnauze. Dann kratzte sie ihn unterm Kinn. Er war versucht, sich auf den Rücken zu rollen und sie seinen Bauch kraulen zu lassen, überlegte es sich aber schnell wieder anders. Nackte Hunde hatten es schwerer als vollständig bekleidete Me n schen, gewi s se biologische Reaktionen zu verbergen. Er ließ sie ein paar Minuten lang seine Ohren kraulen, bevor er zum nächsten Kunststück überging.
Nachdem er den Bogen wieder heraushatte, fiel die Verwandlung vom Wolf in eine Fledermaus überraschend leicht. Er drehte ein paar schnelle Runden über dem Frie d hof, während sie staunend zusah. Ein Gefühl großer B e friedigung überkam ihn, als er sah, wie sie sich amüsierte. Es änderte nichts an ihrer Situation, zumindest aber lenkte es sie ab.
Er entschied, ein wenig optimistisch, zu versuchen, sich in Nebel zu verwandeln. Das hatte er vorher erst viermal getan. Beim letzten Mal war er nur einen Moment unko n zentriert gewesen und hatte seine Beine an einen plötzl i chen Windstoß verloren. Aber für ein weiteres von Cathys Lächeln war er auch bereit, ein oder zwei Gliedmaßen einzubüßen.
Es stellte sich als leichter heraus als seine bisherigen Verwandlungen. Eine Wolke von sich kräuselndem Nebel – so trieb er in der Brise, während er darauf konzentriert blieb, all seine schwebenden Moleküle beieinander zu halten. Cathy ließ ihre ektoplasmischen Finger durch seinen Körper gleiten. Ein Prickeln lief durch seine sub s tanzlosen Nerven. Hätte er jetzt Knie besessen, sie hätten bei dieser intimen Berührung gezittert. Stattdessen vol l führte seine neblige Gestalt einen erregt wirbelnden Lo o ping. Er hoffte, dass sie es nicht bemerkt hatte.
Die Rückverwandlung in einen Mann erwies sich dag e gen als schwerer, als er es in Erinnerung hatte. Es war viel Zeit und Willensstärke nötig, um all seine umherstreife n den Teile zu versammeln und sie dazu zu bringen, wieder seine phy s ische Gestalt anzunehmen. Er war nicht ganz sicher, hatte aber das Gefühl, dass es einige seiner inneren Organe nicht zurück geschafft hatten. Er verspürte eine unbestimmte Leere, wo seine Leber und seine Milz hätten sein sollen.
Dann verbeugte er sich zu einer weiteren Runde Ap p laus.
»Das ist beeindruckend«, stellte sie fest.
Earl hätte ja die Achseln gezuckt, doch seine schme r zenden Schultern waren dazu nicht in der Lage. Ein weiser Vampir dehnte sich immer, bevor er Formen annahm. Das sagte einem schon der gesunde Menschenverstand.
Ein brauner Streifenwagen hielt vor dem Diner. Ein gr o ßer, schlanker Mann, von dem Earl annahm, dass es der Sheriff war, stieg aus und ging hinein.
Buddy nahm eine rauschende Darbietung von »Peggy Sue« in Angriff, die klang, als würde sie direkt von den äußeren Regionen der Galaxie ausgestrahlt. Cathy sprang auf und nahm Earls Hände.
»Das ist mein Lieblingslied. Wollen Sie tanzen?«
»Ich bin kein guter Tänzer.«
»Das macht nichts. Ich auch nicht.«
»Ich weiß nur, wie Walzer geht.«
»Wirklich? Ich auch.«
Earl warf einen Blick auf den Streifenwagen. Der Sh e riff konnte noch fünf Minuten warten.
Sie kam näher und führte seine Hände auf ihren Rücken. Sie begann den Tanz und überließ ihm sanft die Führung. Anfangs war er zu beschäftigt damit, im Kopf mitzuzählen und offenen Gräbern auszuweichen, um es zu genießen. Und obwohl sich Ektoplasma vorher immer kühl angefühlt hatte, verschaffte ihm irgendetwas an Cathy ein unang e nehm warmes Gefühl. Doch nach und nach, ohne dass er es merkte, zog sie ihn näher an sich und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Sich gegenseitig in den Armen haltend, drehten sie sich langsam über den Friedhof. Sie tanzten auch dann noch weiter, als Buddy vollends von stat i schen Geräuschen verschluckt wurde.
Sie roch nach blühenden Rosen und frisch umgegrab e ner E r de. Rochen so alle ektoplasmischen Wesen, fragte er sich, oder nur sie? Noch nie war er einem Geist so lange so nah gewesen.
»Weißt du, Earl, du hattest Recht.«
»Ja? Womit?«
»Du bist kein guter Tänzer.«
»Ich bin der einzig verfügbare«, antwortete er grinsend.
»Auch wieder wahr.«
Er hielt sie auf
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