Diner des Grauens
davonlief.
»Weißt du, Loretta, ich wollte es nicht auf diese Art tun. Ich wollte mich nicht zu erkennen geben. Es ist ein Risiko, das ich lieber nicht eingegangen wäre. Aber du musstest ja so stur sein. Du konntest nicht einfach abhauen.«
Die alten Götter starrten durch die dicke, rote Pfütze nach oben. Ihre Ungeduld ließ das Blut kochen.
Duke stöhnte. Seine Finger zuckten.
»Stur, stur, stur.«
Eine gusseiserne Bratpfanne leistete dem Nudelholz bei einer neuen Runde Werwolfschädeleinschlagen Gesel l schaft.
NEUNUNDZWANZIG
Tammys Mutter ging, wenn sie es vermeiden konnte, nicht ins Zimmer ihrer Tochter. Sie war keine Mutter der schnü f felnden Sorte. Nicht, dass sie ihrer Tochter vertraut hätte. Oft hatte sie den Eindruck, dass Tammy kein nettes Mä d chen war. Eher sogar, dass direkt hinter ihren Augen dun k lere Dinge lauerten. Aber Tammys Mutter glaubte auch, dass es ihre Pflicht war, diese Ahnungen zu ignorieren. Ihr Job war es, zu nähren und zu umsorgen. Es war die Ve r antwortung des Vaters, sich mit den unerfreulichen Aufg a ben der Teenagerjahre zu beschäftigen. Unaussprechliche weibliche Themen ausgenommen. Aber zweimal die W o che war es ihre Pflicht als gute Mutter, sich in Tammys Zimmer zu wagen und den kleinen Haufen schmutz i ger Wäsche, der sich neben der Tür stapelte, einzusammeln.
Sorgfältig vermied sie es, irgendetwas anderes anz u schauen, was im Zimmer herumlag. Sie bemerkte den Magic Eightball auf der Kommode nicht und sie drehte ihm den Rücken zu, als er anfing, wie ein lebendiges Wesen zu pulsieren. Sie sammelte die schmutzige Kle i dung auf, in glücklicher Unwissenheit über die unglaubl i chen geistigen Kräfte, die nur Zentimeter von ihr entfernt zur Anwendung kamen. Exakt in dem Moment, als sie das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss, zerplatzte der Ball in zwei Hälften und fiel mit einem gedämpften Schlag auf den Teppich. Die Flüssigkeit lief aus und bild e te einen tiefblauen Fleck, der Tammys Mutter in höchstem Maße mis s fallen würde, wenn sie ihn entdeckte.
Eine ektoplasmische Wolke waberte aus der zerbroch e nen Kugel. Vier Augen bildeten sich. Acht in sich verhe d derte Gliedmaßen verfestigten sich. Der Nebel teilte sich, als sich die höchst verschiedenen Seelen von Cathy und Gil Wilson gege n seitig abstießen. Es war eine natürliche Abneigung, wie bei Öl und Wasser. Es war auch sehr zehrend, spirituell gesprochen. Cathys Beine trugen sie noch nicht gleich wieder. Sie schwebte, bis sie bemerkte, dass ihre Füße den Boden nicht berührten. Leute aus Fleisch und Blut trotzten der Schwerkraft nicht und Cathy fiel in einem Wiederaufleben sterblicher Erwartung auf ihren Hintern.
Der größte Teil von Gil Wilson hatte sie verlassen, aber da waren noch Stücke zurückgeblieben: Information s bröckchen über eine geisterhafte Existenz. Ektoplasma war ein Produkt der Seele und reagierte als solches weitgehend so, wie es die Seele erwartete. Das war der Grund, warum Geister tendenziell aussahen, wie sie es taten, als sie noch am Leben waren, und warum ihre immaterielle Form nicht einfach in die Erde sank oder forttrieb. Dieses Wissen machte es kein bisschen leichter, ihre instinktiven Reakti o nen zu ändern, aber zumindest wusste sie, warum es pa s sierte.
Die Verwesung in Gil Wilsons Seele manifestierte sich in einer fahlen, verkümmerten Gestalt. Seine Haut schälte sich ab und gab den Blick auf die Muskeln und Knochen darunter frei. Ein ektoplasmisches Duplikat des zerem o niellen Dolchs, der ihn getötet hatte, steckte in seiner Brust. Er grinste und entblö ß te lange, scharfe Zähne. Er streckte sich, zuerst die Arme, dann die Beine und schließlich seinen Kopf, den er mit einem Knall und einem Knacken um fast dreihundertsechzig Grad drehte.
»Ich warne dich nur einmal, Mädchen. Verarsch mich, und ich werde die nächsten tausend Jahre damit verbringen, dich zu quälen, und zwar auf Arten, die sich Lebende nicht vorstellen können. Deine Seele wird ein zerrüttetes, nutzl o ses Ding sein, wenn ich damit fertig bin. Haben wir uns verstanden?«
Sie nickte.
»Warum glaube ich dir nicht?«
Sie wich zurück. »Ich werde nichts tun! Ich schwöre es!«
»Bemüh dich nicht zu lügen, Cathy. Ich habe deine Se e le gesehen. Du bist zu anständig, viel zu gut. Selbst jetzt weiß ich, was dir durch den Kopf geht. Du denkst an Earl und daran, dass du ihn dort mit Tammy nicht einfach ganz allein lassen kannst. Wenn es dir hilft, dich etwas
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