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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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jedenfalls nichts, was mit dieser Aufgabe zu tun hätte). Es geht vielmehr um die ersten 20   Prozent der echten Arbeitszeit, die etwa viereinhalb Minuten vor der Deadline beginnt. Perfektionisten fällt es nicht schwer, noch einmal 200   Prozent mehr Zeit auf die nebensächlichsten zwei Prozent einer Aufgabe zu verwenden. Auch das wäre noch nicht fatal, wenn es am Schluss stattfände und sich dort einfach aus Zeitgründen streichen ließe. Aber gute Perfektionisten fangen gern mit der Sonderausstattung an und verschieben den uninteressanten Bau des umgebenden Autos auf später.
    Edward Yourdon erläutert in seinem Ratgeber «Death March» das Konzept der «Good Enough Software», das sich auch auf andere Arbeitsfelder übertragen lässt. Der Versuch, perfekte Software zu schreiben, führt häufig dazu, dass diese Software zum vereinbarten Termin nicht fertig ist. Yourdon rät dazu, von Anfang an pragmatisch vorzugehen, nicht erst dann, wenn man schon mit dem Rücken zur Wand steht. Dann kann wenigstens an den richtigen Stellen gespart werden anstatt an denjenigen Features – womöglich den allerwichtigsten   –, die man ganz zum Schluss in Angriff nehmen wollte. Denn Qualität besteht nicht nur aus Fehlerfreiheit, sondern sehr oft auch darin, dass das Projekt zu einem bestimmten Termin abgeschlossen ist; viele Auftraggeber ziehen eine 7 0-prozentige , übermorgen fertige Lösung einer zu 99   Prozent perfekten Lösung in drei Monaten vor. Ein Beispiel sind Kommunikationskampagnen für Veranstaltungen, die sogar im Maßstab der recht knapp getakteten Werbewelt unangenehm kurzfristig funktionieren müssen – es gibtkeine zweite Chance, eine Premiere zu bewerben. Beim Bau von Olympiastadien sind die Auftraggeber ebenfalls selten bereit, die Spiele auf nächstes Jahr zu verschieben.
    Aber auch unter einem anderen praktischen Aspekt ist es gefährlich, an der Leistungsgrenze zu operieren. Wenn man mit anderen Menschen zusammenarbeitet, ist es wichtig, Reserven zu haben, während gleichzeitig niemand erfahren darf, dass man nicht alles gibt. Pablo Picasso hat das folgendermaßen ausgedrückt: «Man sollte seine Möglichkeiten nicht ausschöpfen, sondern darunter bleiben. Wenn man drei Elemente bewältigen kann, beschränke man sich auf zwei. Wenn man zehn bewältigen kann, genügen fünf. So arbeitet man gründlicher, mit mehr Meisterschaft und bewahrt sich das Gefühl, noch Kräfte in Reserve zu haben.» Natürlich hatte Picasso leicht reden, er musste schließlich fast nichts selber malen, die Hauptarbeit erledigten Fälscher nach seinem Tod.
    In einem neuen Job erwarten Kollegen und Vorgesetzte zunächst nur, dass man irgendwas tun wird. Wenn man diese Erwartung übererfüllt, gewöhnen sie sich daran, dass man mehr leistet, als sie erwarten. Während der eigenen Leistungsfähigkeit und Zeit Grenzen gesetzt sind, lassen sich Erwartungen beliebig steigern. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man nicht mehr tun kann oder will. Ab hier klaffen die Ansprüche und das, was man tatsächlich tut, auseinander, die Kollegen sind enttäuscht und erzählen in der Kaffeeküche herum, was man für ein faules Geschöpf sei.
    «Ich bin mit großer Begeisterung in meinen neuen Job eingestiegen, weil das, was ich da mache, spannend ist und Spaß macht und weil es ein Bereich ist, der bisher vernachlässigt worden war. Ich habe ein paar sehr guteAnalysen zu schwierigen Themen gemacht, was von meinem Chef wahrgenommen und erst mal mit Begeisterung begrüßt wurde. Dann kam eine Phase, da gab es keine Begeisterung mehr, sondern immer mehr Aufgaben. Dabei ist natürlich, wie es immer so ist, auch mal was danebengegangen, ich habe Anforderungen falsch verstanden und Fehler gemacht. Das wurde dann schon mit großem Maulen aufgenommen. Inzwischen ist der Zustand so, dass ich sehr viel arbeite und keinerlei Lob mehr für irgendwas bekomme. Stattdessen packt man mir montags die Arbeit für die halbe Woche auf den Tisch, die dann Dienstagmittag fertig sein soll. Wenn ich mich dagegen verwahre und sage, das geht nicht, ist die Enttäuschung groß.»
    (Johannes Jander)
    Gerade wer zum Prokrastinieren bei unangenehmer Arbeit neigt, ist gleichzeitig gefährdet, sich wie Johannes begeistert in interessante Aufgaben zu verbeißen. LOBOs leben in größerem Frieden mit sich selbst und ihrer Umwelt, wenn es ihnen gelingt, einen Kompromiss zwischen «Gar nicht erst anfangen» und «Rund um die Uhr die Welt verbessern» zu finden. Schließlich

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