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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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Aufschiebeproblemen ist es daher gerechtfertigt und relativ einfach, sich wenigstens probehalber Ritalin verschreiben zu lassen. Im Unterschied zu diesem Buch, das nicht die Prokrastination, sondern das Leiden an ihr beseitigen will, rupft es die Symptome mit derWurzel aus. Aber der Ritalingebrauch hat seinen Preis. Wer über Nacht die ganze Scheune voll Stroh zu Gold spinnen will, liefert sich dem Rumpelstilzchen aus – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.
     
    Die Vorteile:
Selbst wenn man nur ein einziges Mal Ritalin einnimmt, kann die Erkenntnis große Erleichterung verschaffen, dass die Arbeitsstörungen gar nicht so fest mit der Persönlichkeit verwoben sind, sondern sich wenigstens vorübergehend aufheben lassen.
Ritalin kann den Teufelskreis aus Arbeitsaufschieben und Schuldgefühlen durchbrechen, sodass man eventuell nach ein paar Tagen medikamentös beförderter Arbeit auch wieder alleine zurechtkommt. Wenigstens bis zum nächsten Mal.
In der AD S-Literatur heißt es, dass Patienten unter dem Einfluss von Ritalin etwa so konzentriert arbeiten wie andere Menschen ohne Medikamente. Das Medikament kann also dafür sorgen, dass man an derselben Linie wie die anderen startet. Ob man überhaupt im richtigen Rennen antritt, muss man aber immer noch selbst entscheiden.
Das knappe Gut Impulskontrolle muss nicht angegriffen werden, lästige Arbeiten erledigen sich unter Ritalin praktisch von allein und machen wegen der sich bereitwillig einstellenden Flow-Erlebnisse oft sogar Spaß.
Statt sich drei Tage lang mit einer lästigen Aufgabe herumzuplagen, kann man unter Zuhilfenahme von Ritalin die gesamte Arbeit am ersten Tag erledigen und die verbleibenden zwei Tage selbstgewählten Beschäftigungen widmen.
     
    Die Nachteile:
Im Drogenratgeber erowid.org füllt Ritalin eine eigene Rubrik, in der zufriedene und unzufriedene Nutzer von ihren Erfahrungen mit dem Schlucken, Schnupfen und Spritzen von Ritalin berichten. «Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in den zugelassenen Anwendungsgebieten», so steht es zwar im Beipackzettel, «ist eine Abhängigkeitsgefahr praktisch nicht vorhanden», aber zu diesen zugelassenen Anwendungsgebieten gehört eben nicht der Einsatz als Partydroge in Kombination mit achtzehn Bieren. Wer von sich weiß oder ahnt, dass er zum Suchtverhalten neigt, sollte sich daher eng an die im Beipackzettel beschriebenen Dosierungen und Einsatzzwecke halten oder die Finger davon lassen.
Ritalin bringt die inneren Stimmen zum Schweigen, die einem geduldig mitzuteilen versuchen, dass es noch andere Jobs gibt als den am Diddlmaus-Ausstopf-Fließband. Es kann dabei helfen, einen unbefriedigenden Zustand viel zu lange auszuhalten.
Mit den Drogen, die wir nehmen, treffen wir auch eine Entscheidung über die Welt, in der wir leben wollen. Und eine Welt voller Ritalinkonsumenten wäre eine langweilige Workaholicwelt. Verantwortungsbewusste Bürger greifen deshalb nach Feierabend zu anderen Wirkstoffen, die diesen Effekt ausgleichen und die Einsicht vermitteln, dass der Mensch nicht nur zum Arbeiten da ist. Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Aber Weltverbesserung ist eben nicht gratis zu haben.
Anders als andere Rezepte verlieren Betäubungsmittel-Verschreibungen nach einer Woche ihre Gültigkeit. Man kennt das Problem aus dem Witz über das Stärkungsmedikamentin der schwer zu öffnenden Packung: LOBOs müssen dreimal zum Arzt, bis es ihnen einmal gelingt, das Rezept rechtzeitig einzulösen.
     
    Wer nach Abwägung der Vor- und Nachteile zumindest ausprobieren möchte, ob Ritalin seine Probleme lindert, der schildere einem Arzt, am besten einem Neurologen oder Psychiater, seine Prokrastinationsprobleme oder entleihe eine Testportion beim hyperaktiven Schulkind seines Vertrauens. Unterschiedliche Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Ritalin, deshalb sollte man mit einer Vierteltablette anfangen. Im Zusammenhang mit ADS heißt es, dass etwa 30   Prozent aller Patienten überhaupt nicht auf Ritalin ansprechen. Wenn zwei Tabletten keine nennenswerte Wirkung hervorrufen, gehört man wahrscheinlich zu dieser Gruppe und muss es stattdessen mit der guten alten Selbstdisziplin versuchen, haha, nur ein Witz.

Jetzt helfe ich mir nicht mehr selbst
    Outsourcing
    «Ich heiße Winston Wolf. Ich löse Probleme.»
    (Quentin Tarantino: «Pulp Fiction»)
    Ein Stapel Probleme, der einen vorwurfsvoll anstarrt, meint das meistens gar nicht persönlich: Die Probleme wollen einfach nur von irgendjemandem gelöst

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