Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
renovieren und meine Wohnungaufräumen zu lassen. Schon ein halbes Jahr später hatte ich jemanden gefunden, der sich darum kümmern sollte. Verpeilte ziehen sich offenbar an, deshalb war leider auch mein Helfer nicht der Schnellste, aber nach einem weiteren Dreivierteljahr sah meine Wohnung schon wieder ganz brauchbar aus. Der Preis dafür war so gering, dass ich mir dieselbe Hilfe schon Jahre früher hätte leisten können, selbst in Zeiten der Armut. Er lag weit unter dem, was ich mir vorgestellt hatte. Indirekt war es vielleicht trotzdem das Geld, das mich in die Lage versetzte, diese Arbeit endlich jemand anderem zu übergeben, und zwar weil es mir eine klarere Vorstellung von dem verschafft hat, was mir meine Zeit wert ist und was ich mit ihr anfangen möchte.»
(Kathrin Passig)
Fragt man schlecht organisierte Menschen, was es ihnen wert wäre, von allen vernachlässigten Aufgaben befreit zu sein, nennen die meisten ziemlich hohe Beträge. Viele sind bereit, zur Beschaffung dieses Geldes Arbeiten zu erledigen, die ihnen leichter fallen – Hauptsache, sie müssen nicht ihre eigene Küche putzen. Timothy Ferriss erklärt in «Die Vierstundenwoche», warum sich der Tausch auch dann lohnt, wenn die Kosten pro Stunde gelegentlich höher liegen als das, was man in derselben Zeit verdient. Kommt man selbst nur auf 25 Dollar die Stunde und leistet sich für 30 Dollar einen guten Assistenten, der einem pro Woche einen ganzen Achtstundentag einspart, belaufen sich die Kosten auf 40 Dollar für einen zusätzlichen freien Arbeitstag. «Würden Sie 40 Dollar pro Woche ausgeben, wenn Sie dafür nur von Montag bis Donnerstag arbeiten müssten?», fragt Ferriss. «Ich schon, und ich mache es auch.»
Aber Outsourcing kostet ja zum Glück nicht nur Geld: Oft spart es erhebliche Summen in Form von Mahn-, Inkasso- und Überziehungsgebühren ein. Und es kann sogar Geld einbringen, wenn man jemanden findet, der alte Rechnungen stellt, den Lohnsteuerjahresausgleich macht, säumige Zahler mahnt und überflüssige Verträge kündigt. Und weil man nicht mehr den ganzen Tag unglücklich einen Papierstapel anstarren muss, der nach Zuwendung verlangt, steigert Outsourcing indirekt auch noch die Produktivität. Außerdem entfällt die Möglichkeit, durch Putzen oder Papierkramsortieren Arbeit vorzutäuschen. Zeigt sich die Produktivität unbeeindruckt, wird man immer noch zufriedener leben als vorher. Und zur Not kann man sich mit folgender Begründung über die Ausgaben hinwegtrösten: «Je hemmungsloser man das Geld aus dem Fenster wirft, umso mehr kommt zur Tür wieder herein.» Das Zitat wird abwechselnd Bhagwan, Henri Nannen und Walter Moers zugeschrieben, sodass für jeden ein passendes Vorbild dabei sein sollte.
Eine sympathische Sonderform ist die sich selbst bezahlende Dienstleistung; Literatur- und Bookingagenturen etwa streichen einen Anteil an den Einnahmen ein, die man ohne sie gar nicht gehabt hätte. Aber auch jenseits der Bereiche, die eher für Minderheiten interessant sind, gibt es solche Dienstleister. Einen Steuerberater etwa kann fast jeder Mensch gebrauchen. Er nimmt einem nicht nur eine der unangenehmsten Tätigkeiten der zivilisierten Welt ab, sondern senkt dabei auch das zu versteuernde Einkommen durch Abzüge, auf die man selbst nicht im Traum verfallen wäre. Was das kostet, errechnet sich in Abhängigkeit vom Einkommen. Selbst Geringverdiener müssen damit rechnen, dass für Steuerberatung ein paar hundert Euro fällig werden. Dafür spart der Steuerberater beim Steuerbescheid wieder Geld ein,weil er nicht dieselben Fehler macht, die man selbst gemacht hätte. Monatelanges Jammern, vergebliche Aufraffungsversuche und das nagende Gefühl, auch dieses Jahr wieder alles falsch gemacht zu haben, entfallen. Nette Steuerberater akzeptieren Kartons voller unsortierter Belege.
Natürlich wird nicht nur bei der Einkommensteuererklärung prokrastiniert, bei der man am Ende doch bloß Geld bezahlen muss, sondern auch bei der Lohnsteuererklärung, bei der es fast immer Geld zurück gäbe. Schätzungen der Finanzämter zufolge geben in den Großstädten bis zu 25 Prozent der Angestellten keine Lohnsteuererklärung ab, auf dem Land, heißt es, liege die Zahl eher noch höher. Einerseits muss man den Staat dafür loben, dass Angestellte sich gegen diesen geringen Aufpreis gar nicht um die Steuern kümmern müssen. Andererseits fühlen sich viele Menschen verfolgt von der Vorstellung, sie müssten dringend
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