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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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werden. Es reicht auch, jemand anderen damit zu beauftragen. Zu jeder Aufgabe, mit der man sich herumquält, existiert jemand, dem genau diese Tätigkeit Spaß macht oder der zumindest viel weniger unter ihr leidet. Es gibt Menschen, die – unter bestimmten Bedingungen – gern putzen, aufräumen, Ordnungssysteme ausdenken, Termine vereinbaren und Papiere in Aktenordner sortieren. Man muss sie nur ausfindig machen und dann dazu bewegen, einem diese Arbeiten abzunehmen. Dazu hat man im Großen und Ganzen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Geld und Tauschgeschäfte.
    Beginnen wir mit dem Geld. Man muss zum Glück nicht reich sein, um Aufgaben an andere zu delegieren. Eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten genügt, wie das Interview mit dem Übersetzer Gunnar Kwisinski zeigt:
    «Ich hatte etwa ab 35 eine Putzfrau, und während sie da war, hatte ich immer ein so schlechtes Gewissen, dass ich mich selbst an den Schreibtisch gesetzt und gearbeitet habe. Das waren zwei Stunden die Woche, ich habenicht viel mehr verdient als sie in den zwei Stunden, aber es ist was dabei rausgekommen. Ich selbst hätte neun Stunden gebraucht, bis es ordentlich aussieht. Die Putzfrau hat mich damals so 130   Mark im Monat gekostet, also wahrscheinlich mehr als zehn Prozent von meinem eigenen Bruttomonatseinkommen. Es geht einfach nicht, dass man diesen Dingen hinterherläuft, die erledigt werden müssen und die man auch noch wahnsinnig ungern macht. Man vertrödelt unheimlich viel Zeit damit, wird trotzdem nicht fertig oder kriegt es zumindest nicht richtig hin, und zu den Sachen, die eigentlich anstehen, kommt man auch nicht. Meine Wohnung war kaum 30   Quadratmeter groß, aber ich hatte nie das Gefühl, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich nicht selber putze. Die Putzfrau war froh, dass sie Geld verdient hat, ich war zufrieden, wir waren eigentlich alle sehr zufrieden damit.»
    Wenn man statt wenig Geld viel Geld hätte, könnte man natürlich alles von anderen erledigen lassen, was einem schwerfällt oder wozu die Zeit nicht reicht – das wird jedenfalls oft angenommen. In Wirklichkeit ist es, unabhängig vom verfügbaren Einkommen, für viele Menschen gar nicht so leicht, diese Entscheidung zu treffen. Meistens sind es keine finanziellen Gründe, die uns davon abhalten, Aufgaben an andere abzugeben. Die inneren Widerstände gegen Arbeitsvereinfachungen sind zahlreich, und sie sind nicht immer rational. In «Schmutzige Wäsche», einer soziologischen Untersuchung von Paarbeziehungen anhand ihrer Hygienegewohnheiten, findet sich ein klassisches Beispiel: Die Familie Delafontaine hat einen Wäschetrockner gekauft. Jetzt stellt sich heraus, dass der Vater entschieden gegen dessen Einsatz ist, weil er das für unnütze Stromverschwendung hält; außerdem seiWäscheaufhängen nicht wirklich anstrengend. Seine Frau möchte ihrerseits zum einen Arbeit sparen, zum anderen Ehekrach vermeiden. Am Ende finden die beiden einen Kompromiss: Frau Delafontaine lässt den Trockner nur zur Hälfte laufen, «um die Wäsche zu glätten», hängt die Wäsche dann doch noch auf und hat so mehr Arbeit als zuvor. Es ist leicht, sich über die Delafontaines zu amüsieren – aber weniger leicht, zu erkennen, an welchen Stellen man sich selbst ebenso irrational verhält.
    Das Haupthindernis liegt häufig in der protestantisch geprägten Vorstellung, es sei sündiger Luxus, jemand anderen für sich arbeiten zu lassen. Das Problem ist nicht, dass Outsourcing unbezahlbar wäre, es ist nur im Wortsinne undenkbar. Gerade bei einfachen Aufgaben müssen sich die meisten Menschen erst an diese Vorstellung gewöhnen. Ein klassisches Beispiel sind Auto- und Fahrradreparaturen. Beim Auto kann man viel, beim Fahrrad so gut wie alles selber machen, nur macht man es eben nicht. Die meisten LOBOs schieben das Montieren der Winterreifen bis zum nächsten Frühjahr vor sich her und nehmen sich lieber monatelang täglich vor, das Fahrrad zu reparieren, als ein einziges Mal den Entschluss zu fassen, es stattdessen in die Werkstatt zu bringen. Dabei kann ein solcher Entschluss das Leben erstaunlich vereinfachen und über Nacht von Selbstvorwürfen befreien.
    «In meiner Wohnung herrschten immer sehr unpraktische Zustände, meine Küche war nach einem auf halbem Weg abgebrochenen Renovierungsversuch mehrere Jahre lang nicht begehbar. Mit Mitte 30 verdiente ich unversehens Geld und beschloss daher, endlich meine Küche von jemand anderem zu Ende

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