Dinner for one, Murder for two
Anita Unterweger und Duncan Blakely lauschten aufmerksam und fragten immer wieder nach. Alain Bettencourt betrachtete mit geringschätzig heruntergezogenen Mundwinkeln die Porträts an den Wänden – die in Versailles bestimmt viel größer sind, dachte Pippa ironisch –, und Rossevelt strich um Anita herum.
»Er hat etwas Lauerndes, findest du nicht?«, fragte Debbie leise.
»Ich weiß noch nicht, was ich von ihm halten soll«, antwortete Pippa, »dazu kenne ich ihn noch nicht gut genug.«
Gordon Best hatte seinen Vortrag beendet und bat sie in das Frühstückszimmer. Ein ovaler Tisch vor einem verschwenderisch verzierten Kamin war mit kostbarem Geschirr eingedeckt und schien auf hungrige Gäste zu warten. Rechts und links vom Kamin standen hohe Bücherregale.
»Schauen Sie her«, sagte Best und betätigte am rechten Regal einen unsichtbaren Mechanismus. Es schwang auf und gab den Blick in ein kleines Zimmer frei. »Dies ist der Anrichteraum des Butlers. Sie sehen, man war bei der Raumplanung durchaus praktisch veranlagt.«
Zum wiederholten Male versuchte Anita, der Nähe Hendriks zu entkommen, und ging voraus in den nächsten Raum.
Pippa folgte ihr besorgt. »Geht es dir gut, Anita?«
Die junge Österreicherin errötete und nickte verlegen, aber vehement.
»Manchmal wird man vom Falschen verfolgt, nicht wahr?«, bemerkte Pippa.
Ein Lächeln flog über Anitas Gesicht, aber bevor sie antworten konnte, hatten die anderen aufgeschlossen. Gordon Best geleitete die Gruppe ins nördliche Treppenhaus. Eine großzügige Freitreppe führte ins Obergeschoss und damit in die privaten, für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Räumlichkeiten der Besitzer von Ragley Hall. Eine Wand des Treppenhauses zierte ein modernes Gemälde des zeitgenössischen Künstlers Ceri Richards, das nach all den antiken Möbeln, Bildern und Kunstgegenständen fast wie ein Schock wirkte.
Während der gesamten weiteren Führung beobachteten Pippa und Debbie amüsiert, wie Bettencourt in jedem Raum zuerst nach einem Spiegel Ausschau hielt, in dem er entweder den Sitz seiner Kleidung, seiner Frisur oder schlicht seiner ganzen Erscheinung überprüfte und sich dann bewundernd zunickte.
»Jetzt kommt mein Lieblingsraum«, verkündete Pippa, als sie den Roten Salon betraten. Die Wände waren mit rotem Damast bespannt, die Möbel rot bezogen, selbst die Vorhänge vor den bodentiefen Fenstern waren in Rot gehalten. Pippa hielt nach der chinesischen Skulptur einer sitzenden Katze Ausschau, die sie liebend gern besessen hätte. Aber diesmal konnte sie den Anblick der türkisfarbenen Schönheit nicht genießen, denn plötzlich hauchte jemand ihr in den Nacken.
»Dies ist dein Lieblingsraum? Du liebst es schummrig?«, raunte Rossevelts Stimme in ihr Ohr. »Das werde ich mir merken …«
Pippa drehte sich betont langsam um und hatte sein anzüglich grinsendes Gesicht nur wenige Millimeter vor sich.
»Nicht nötig, denn wenn ich dich sehe, gehen bei mir automatisch alle Warnlampen an, und sofort ist es wieder taghell«, fauchte sie. Zu unangenehm war ihr die körperliche Nähe dieses Mannes. Er funkelte sie wütend an und zog beleidigt ab.
Erst jetzt merkte Pippa, dass Barbara-Ellen Zeugin der kleinen Szene gewesen war. Die Schauspielerin zwinkerte Pippa zu und vollführte pantomimisch ein bühnenreifes Fecht-Touché. In wortlos-weiblichem Einverständnis folgten sie gemeinsam den anderen durch einen ganz in Grün gehaltenen Raum bis in ein entzückendes Schlafzimmer.
Ihr Führer zeigte auf ein skurriles Sitzmöbel in der Mitte des Raumes. Es handelte sich um ein Zweiersofa, dessen Sitzflächen und Rückenlehnen einander zugewandt waren, so dass die Benutzer sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen und unterhalten konnten, ohne die Köpfe verdrehen zu müssen. Zwischen den beiden Plätzen befand sich ein winziges, fest installiertes Tischchen.
»Dies ist ein viktorianisches tête-à-tête «, erklärte Gordon Best. »Wunderbar geeignet für intime Unterhaltungen.«
Hendrik hatte sich hinter Anita Unterweger geschlichen und fasste die junge Frau um die Taille. »Sieht einladend aus.«
Anita zuckte zusammen und stolperte ein paar Schritte vorwärts. Hendrik folgte ihr. »Nicht so spröde, Ophelia. Ab morgen hast du ohnehin ein Verhältnis mit Hamlet …«
Weiter kam er nicht, denn Duncan zerrte ihn heftig an der Schulter herum. »Nur wenn der Regisseur das so will, und dann auch nur auf der Bühne. Wage es nicht, sie noch einmal
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