Dinner for one, Murder for two
Schwangerschaften, keine Hysterie, keine Stutenbissigkeit und keine Menstruationsbeschwerden … paradiesische Zustände. Sollte man generell wieder einführen. Ich bin der Vorreiter: Ich kehre zurück zu den Ursprüngen, zum unverfälschten, von Emotionen getragenen Schauspiel des Shakespeare’schen Theaters.«
Dana Danvers starrte ihn ungläubig an. Allmählich dämmerte ihr, dass sie geschlagen war, und sie verließ die Bühne. Mit hängendem Kopf setzte sie sich zu Pippa, Barbara-Ellen und der weinenden Anita.
Barbara-Ellen sagte leise zu den beiden schockierten Schauspielerinnen: »Ich kann nicht viel tun – aber finanziell soll dieser Ausfall für euch beide kein Problem sein. Wenigstens dafür kann ich sorgen.« Dann drückte sie aufmunternd Danas Hand.
Das Barbarella-Projekt, dachte Pippa plötzlich, sollte mich wundern, wenn hinter Barbara-Ellens liebevoller Geste nicht doch noch mehr steckt …
Sie schenkte den Vorgängen auf der Bühne keine Beachtung mehr und wurde erst wieder aufmerksam, als Duncan laut und empört sagte: »Wir sollen uns selbst darüber einigen, welche Rollen wir spielen? Was soll das heißen? Wir haben bereits unsere Rollen! Sie wollen doch nicht auch noch umbesetzen?«
»Noch einmal zum Mitschreiben«, antwortete von Kestring ruhig, »ich werde mich jetzt in einen der bequemen Sessel am Fenster setzen und beobachten, wie Sie, meine Herren, die Rollenverteilung des Stücks miteinander ausfechten. So bekomme ich einen Überblick über Ihre Durchsetzungskraft und Ihre charakterlichen Stärken und Schwächen. Das wird mir mehr als alles andere Aufschluss geben, wer dem Druck der nächsten vier Wochen gewachsen sein wird. Ich verspreche mir einen vergnüglichen Tag, meine Herren. Enttäuschen Sie mich nicht.«
Von Kestring hetzt das Ensemble aufeinander, dachte Pippa bedrückt, das wird böses Blut geben – und er selbst lehnt sich zurück und ist fein raus.
»Einen Augenblick«, sagte Sir Michael, »Sie können doch nicht wirklich wollen, dass wir die Besetzung selbst entscheiden? Sie sind der Regisseur und Sie …«
»Sie müssen sich bestimmt keine Sorgen machen«, unterbrach von Kestring ihn herablassend und sprang von der Bühne, »an Sie wird sich keiner der Jungspunde rantrauen. Ihre Rollen sind sicher.«
Bevor Sir Michael darauf reagieren konnte, meldete Alain sich schnell zu Wort. »Aus Sicht des Hamlet wünsche ich mir Johannes als Ophelia.«
»Das kann ich mir vorstellen«, zischte Hendrik leise, »aber ich habe einen besseren Vorschlag: Ihr zwei Süßen teilt euch die Frauenrollen.« Er hob die Stimme, damit von Kestring ihn hören konnte. »Ich, Hamlet, bin damit einverstanden.«
Alain schnappte nach Luft. »Du? Hamlet? Du willst meine Rolle?«
»Ich habe deine Rolle«, gab Hendrik hochmütig zurück. »Frag deinen Regisseur. Er will, dass wir die Rollen verteilen, mit einer Ausnahme: Ich bin Hamlet. Das steht fest.«
»So? Tut es das?«, kam es süffisant aus dem Sessel am Fenster. »Wie kommst du darauf?«
»Weil du es mir versprochen hast!«, rief Hendrik.
»Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern«, sagte von Kestring träge. »Du steigst genauso in den Ring wie alle anderen.«
»Aber ich habe dir geglaubt!«, schrie Hendrik, nicht weniger fassungslos als Dana ein paar Minuten zuvor.
Die anderen Anwesenden verfolgten atemlos die Auseinandersetzung, alle Gespräche waren verstummt, der eigene Frust vergessen – sogar Anitas Tränen versiegten.
»Ich bin der Herr, dein Regisseur«, deklamierte von Kestring sichtlich amüsiert, »du sollst an mich glauben – nicht glauben, was ich sage.«
Hendrik zitterte am ganzen Leib. »Du machst Witze. Das kannst du nicht ernst meinen.«
Als Antwort zog von Kestring die Augenbrauen hoch. »Probier es aus.«
»Ich beschwere mich bei Smith-Bates. Heute noch.« Hendrik stampfte auf wie ein trotziges Kind.
»Wie naiv bist du eigentlich?«, sagte von Kestring. »Ausgerechnet du willst ihn um Hilfe bitten? Du traust dich was.«
Was meint er damit?, dachte Pippa. Ausgerechnet du?
»Außerdem ist er gerade in den Niederlanden, mein Lieber«, fuhr von Kestring fort. »Er will dort einige wichtige Dinge für unser Stipendium klären.«
Hendrik erstarrte zur Salzsäule.
Und Brüssel liegt in Belgien, Herr von Superschlau, nicht in den Niederlan…
Bevor Pippa diesen Gedanken zu Ende denken konnte, verlangte Hendrik laut: »Lysander Smith-Bates ist nicht da. Gut. Dann will ich mit Pippa Bolle reden.
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