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Dinner for one, Murder for two

Dinner for one, Murder for two

Titel: Dinner for one, Murder for two Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
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Diskussion auf der Bühne deutlich weniger Zuhörer gehabt hätte als ihre Wanderung um den Dorfplatz. Aber jetzt war es zu spät.
    Von Kestring sah sie ehrlich erstaunt an. »Selbstverständlich. Was denken Sie denn? Für mich sind Zuschauer nur lästige Huster im Parkett. Wenn es nach diesen Laien ginge, würde es reichen, die Texte zu sprechen und zu spielen, als hätte sich in Jahrhunderten nichts an der Menschheit geändert.«
    Pippa schüttelte den Kopf. »An der Menschheit hat sich nichts geändert: Wir werden geboren, wir lieben, wir hassen, wir sterben. Und wir haben noch immer die gleichen Bedürfnisse. Deshalb verstehen wir Shakespeare auch noch immer ohne Ihren Schnickschnack. Aber Ihnen geht es gar nicht um Shakespeare. Ihnen geht es allein um sich selbst. Um Ihre Selbstdarstellung.«
    Von Kestring lachte schallend. »Um was denn sonst? Ich bin ein würdiger Vertreter des deutschen Regietheaters! Natürlich geht es nur um mich.« Er musterte sie von der Seite. »Wahrscheinlich verstehen Sie mich nicht, können mich nicht verstehen, weil Ihnen der intellektuelle Zugang fehlt. Aber ich will mal nicht so sein und versuchen, Ihnen meine Weltanschauung in möglichst einfachen Worten zu erklären: Ich will ein Ensemble auf mich einschwören. Ich will Menschenmaterial zu einer Theatertruppe formen, die ohne Wenn und Aber meine Ideen umsetzt. Ich will ein Ensemble, das bereit ist, sich völlig auf mich einzulassen und meinen Ruhm in die Welt hinauszutragen … Wenn ich es für richtig halte, sollen sie sich auf der Bühne nackt in Kuhscheiße wälzen und sich gegenseitig vollkotzen – das ist für mich Theater!«
    Er schien eine Reaktion von ihr zu erwarten, aber Pippa wandte sich ab. Sie sah, dass sich das Ensemble am Ende der Zufahrt zum Hotel vollzählig versammelt hatte und sie gespannt beobachtete.
    Eigentlich sollten die Frauen froh sein, dass sie aus der Nummer raus sind, dachte sie, nach dem, was dieser Fatzke, der sich Regisseur nennt, gerade von sich gegeben hat …
    Pippa kam mit von Kestring zum neunten Mal am Friedhof vorbei, während der Regisseur weiterhin von seinen hochfliegenden Plänen erzählte. Jetzt müssen sich nur noch die Toten aus ihren Gräbern erheben, dachte sie, dann haben wir wirklich von allen Seiten Zuschauer. Ihre Geduld ging zur Neige. Von Kestring schien aus ihrem Gespräch ein Soloprogramm machen zu wollen und schwadronierte mittlerweile selbstverliebt von seiner Idee, alle Schauspieler in ihrer Landessprache spielen zu lassen.
    »Stellen Sie sich vor: Babylonisches Sprachgewirr! Französisch, Niederländisch, einer der Neuen spricht Polnisch! Ich würde Chris zu gern einen Chinesen an die Seite stellen. Und was, glauben Sie, will der Regisseur damit sagen?«
    Er sah sie auffordernd an, aber Pippa zuckte nur mit den Schultern.
    »Wir tun einfach so, als wäre Shakespeare universell verständlich. Jenseits aller Sprachen«, verkündete er triumphierend.
    »So tun, als ob, von Kestring? Bringen Sie mich nicht zum Lachen. Shakespeare ist universell. Er wurde in unzählige Sprachen übersetzt. Es gibt ihn in Urdu, in Sranan, in Lingala, Usbekisch, Nahuatl, Gälisch, Tabasaaran, Inuktitut und selbst in Papiamentu. Aber seit ich Sie kenne, frage ich mich, ob es noch keine verständliche deutsche Übersetzung gibt. Wieso, um alles in der Welt, sind Sie eigentlich Regisseur geworden?«
    Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Nicola einen Zettel hochhielt, auf den sie mit einem dicken Stift die Ziffer 13 gemalt hatte, als sie wieder einmal am Laden vorbeikamen. Großer Gott, dachte Pippa, die dreizehnte Runde schon? Und wir sind noch kein Stück weitergekommen, der Mann hört nichts außer seinem eigenen Geschwafel.
    »Warum ich Regisseur geworden bin?« Von Kestring blieb stehen und grinste sie frech an. »Weil alle Diktatorenposten zurzeit besetzt sind, meine Liebe.«
    Er kicherte vergnügt und suchte in den Taschen seiner pelzgefütterten Jeansjacke nach seinem Schnupftabak. Nach einer großen Prise steckte er das Fläschchen wieder weg und ging mit schnellen Schritten weiter.
    Pippa nutzte die Pause für einen weiteren Vorstoß.
    »Denken Sie noch einmal darüber nach, die Frauen wieder ins Ensemble aufzunehmen«, rief sie und hatte Mühe, seinen Vorsprung wieder aufzuholen. »Sie haben es nicht verdient, einfach fallengelassen zu werden!«
    »Auf keinen Fall. Mein Entschluss steht fest. Mir gefällt die Idee des reinen Theaters, davon wird man noch in Jahren sprechen. Alles soll

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