Dinner fuer drei Roman
auf dem Boden, das Kratzen seiner Bartstoppeln an ihrem Gesicht. Sie vermisste die Art, wie er die Zeitung von innen nach außen klappte, sodass sie nie die erste Seite fand, die Geräusche der Baseballspiele, wenn er vor dem Fernseher saß. Sie vermisste seine täglichen Rituale des Rasierens und des Duschens, die auf dem Boden verstreuten Handtücher und Socken, all die kleinen Dinge, die Teil von Dash Coogan gewesen waren.
Durch einen Tränenschleier hindurch verfolgte sie, wie die Nadel des Tachometers immer weiter ausschlug. Mit quietschenden Reifen schlitterte sie um eine Kurve. Noch ein Tritt aufs Gaspedal, eine Drehung ihrer Hände, und all der Schmerz hätte ein Ende.
Doch plötzlich tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild eines jungen Mädchens mit ausgefransten Haaren und in ausgetretenen Badelatschen auf. Während das Tempo des Wagens weiter anstieg, fragte sie sich, was aus der leidenschaftlichen Sechzehnjährigen geworden war, die geglaubt hatte, dass alles möglich war. Wo war das Mädchen geblieben, das in einem altersschwachen Pick-up, angetrieben vom Mut der Verzweiflung, quer durch Amerika gefahren war? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was für ein Gefühl diese Art von Mut in einem Menschen hervorrief. Sie konnte sich nicht mehr an das Kind erinnern, das sie einmal gewesen war.
Finde es, flüsterte eine Stimme in ihrem Inneren. Finde das kleine Mädchen.
Langsam nahm sie den Fuß vom Gaspedal - nicht aus einem neu entstandenen Wunsch heraus zu leben, sondern weil sie zu müde war, um den Druck weiter aufrechtzuerhalten.
Finde es, wiederholte die leise, eindringliche Stimme.
Warum nicht?, dachte sie trübe. Schließlich hatte sie, außer zu sterben, nichts Besseres zu tun.
Zehn Tage später stieg sie aus ihrem klimatisierten Chevrolet Blazer und tauchte in die feuchte Hitze des hochsommerlichen
South Carolina ein. Der Asphalt des Parkplatzes vor dem Silver-Lake-Vergnügungspark war aufgerissen, aus den Spalten wuchs kniehoch das Gras, und rostüberzogene Betonobelisken erinnerten daran, wo früher einmal die Laternen den Weg gewiesen hatten. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Sie war mehrere Tage unterwegs gewesen, hatte nur ab und zu an einem Motel angehalten und ein paar Stunden geschlafen, ehe sie weitergefahren war.
Sie kniff die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammen und betrachtete den vernagelten Eingang des ehemaligen Vergnügungsparks. Er gehörte ihr seit Jahren, doch sie hatte nie etwas daraus gemacht. Anfangs hatte sie einfach keine Zeit gefunden, um sich gleichzeitig ihrer Karriere und dem alten Anwesen zu widmen, und nach ihrer Hochzeit mit Dash hätte sie zwar die Zeit gehabt, aber nicht mehr das erforderliche Geld.
Das Dach des Kassenhäuschens war eingebrochen, der flamingofarbene Anstrich der sechs Stucksäulen links und rechts des Tores war, wenn nicht gänzlich abgeblättert, von einer dicken Schmutzschicht überzogen, und die Buchstaben auf dem schiefen Schild über dem Eingang waren kaum noch zu erkennen.
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Sie hob den Kopf und betrachtete, wofür sie einen ganzen Kontinent durchfahren hatte - die Ruine von Black Thunder. Noch immer ragten die mächtigen hölzernen Gipfel über dem verfallenen Park in den strahlend blauen Himmel von South Carolina auf. Weder die Zeit noch die Vernachlässigung hatten die Achterbahn vollständig zerstören können. Sie war unbezwingbar, die mächtigste hölzerne Berg-und-Tal-Bahn des gesamten Südens, und nichts vermochte ihre Erhabenheit zu
schmälern - weder die verfallenen Gebäude noch die schief hängenden Schilder oder das wild wuchernde Unkraut, das sich durch sämtliche Ritzen und Spalten schob. Seit elf Jahren hatte kein Wagen mehr die Anhöhen erklommen, doch noch immer wartete die Bahn geduldig darauf, dass irgendjemand sie wieder in Betrieb nahm.
Hastig wandte Honey ihren Blick ab, um sich der aufsteigenden Flut der schmerzlichen Gefühle zu entziehen. Früher hätte sie von ihrem Platz aus die obere Hälfte des Riesenrades und die gewundenen Arme des Kraken ausmachen können, doch die Fahrgeschäfte waren längst verschwunden, sodass außer dem Feuerball der Sonne und Black Thunder nichts am gleißend hellen Himmel zu sehen war.
In der erstickend feuchten Luft klebten ihr die Khaki-Shorts am Körper. Die Sonne brannte auf ihre schmalen Schultern und ihre nackten
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