Dinner für eine Leiche
Stella. Großzügigkeit war noch nie ihr Ding.«
Sie fragte sich, ob wohl Oliver Stafford eine Zulage verlangt hatte, nachdem er den Wettbewerb gewonnen hatte. Hatte ihm möglicherweise Stella in einem ihrer seltenen nüchternen Augenblicke in einem Wutanfall die Kehle durchgeschnitten?
Der junge Koch unterbrach ihre Gedankengänge.
»Was ist mit Ihrem Gesicht? Alles in Ordnung?«
Sie betupfte noch einmal mit der Küchenrolle die schmerzende Stelle und schaute sich das Ergebnis an. »Sieht ganz so aus.«
»Gut. Auf diesem Boden ist wahrhaftig genug Blut geflossen.«
|76| An seinem Ton ließ sich nicht ablesen, ob er über Staffords Tod froh oder traurig war. Sie entschied sich für Ersteres.
»Ich nehme an, Sie mochten Oliver Stafford nicht sonderlich.«
Er nickte. »Da könnten Sie recht haben. Und ich habe Narben, die das bezeugen.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Der Mann war ein Schwein. Fragen Sie seine Frau.«
Seine Frau irgendwas zu fragen, das würde sie auf jeden Fall vermeiden. Und nicht nur, weil die Ärmste wahrscheinlich völlig unter Schock stand. Ihre eigene Tochter war eine der »an deren Frauen« gewesen. Selbst wenn Lindsey keine Ahnung gehabt hatte, dass der Mann verheiratet war, machte sie das wütend. Wütend auf Lindsey, aber auch wütend auf Oliver. Und dann war da noch Smudger. Sie hatte bisher nicht den Mut aufgebracht, ihn nach seinem Verhältnis zu Olivers Frau zu fragen. Im Augenblick schien sie auch so alle Hände voll zu tun zu haben.
»Er hatte die Schnapsidee, besser als alle anderen Köche in der Stadt zu sein«, fuhr Richard fort, während er mit den eingeschweißten Fleischbrocken zwischen dem Tisch und dem offenen Kühlschrank hin und herlief. »Das gab ihm seiner Meinung nach das Recht, sich einfach alles zu nehmen, was den anderen lieb und teuer war – und ich spreche hier nicht nur von Kochrezepten.«
Honey runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz.«
Richard lud sich einen weiteren Stapel Fleisch auf. »Frauen. Freundinnen.«
»Machen Sie keine Witze.«
Richard schüttelte den Kopf. »Oliver hatte einen ungeheuren Appetit – allerdings nicht aufs Essen. Er war sehr um seine Gesundheit besorgt, ging ins Fitness-Studio und so was – wenn er die Zeit dafür fand. Ihm stand der Sinn nach den Symbolen des Erfolgs: Geld, schnelle Autos, Frauen. Er wollte der Welt |77| – oder vielmehr den anderen Köchen – beweisen, dass er ihnen überlegen war, in jeder Beziehung. Oh … und er war ein Tyrann.«
Honey fuhr zusammen, als der junge Mann die Kühlschranktür mit einem Knall zuschlug. Die Frage, ob auch er die Zielscheibe von Olivers Tobsuchtsanfällen gewesen war, erübrigte sich. Hier sprachen Taten lauter als Worte.
»Wo waren Sie in der Mordnacht?«
Richard hörte auf, Fleisch zum Kühlschrank zu tragen, und legte die Hände flach auf die stählerne Tischplatte.
»Das Schwein ist hierher zurückgekommen und hat angegeben wie eine Herde nackter Affen. Er hätte all die anderen Köche um Längen geschlagen. Er hatte mit Mrs. Broadbent Champagner getrunken und hat sich mächtig aufgeblasen und wollte mich mit dem ganzen Aufräumen alleinlassen, nur um selbst fröhlich weiterzusaufen. Er bildete sich ein, jetzt würde seine große Karriere beginnen, und dann dürften Leute wie ich nicht einmal mehr seine Küche betreten. Er fing an mich rumzuschubsen. Sobald er zu seiner Party abgehauen war, bin ich einfach nach Hause gegangen. Ich hatte die Schnauze voll.«
Honey erinnerte sich an die Unordnung in der Küche. »Ha ben Sie Zeugen dafür, dass Sie nach Hause gegangen sind?«
Er nickte. »Zwei Zeugen. Den Wachmann und meine Freundin Sasha. Wir haben ein möbliertes Zimmer neben dem Old Dispensary 1 .«
»Warum hat er wohl so angegeben, was meinen Sie?«, fragte Honey.
Carmelli verzog das Gesicht. »Der glaubte, wenn er es richtig anstellte, würde er bald Partner in diesem Hotel werden. Ich habe das nicht so gesehen. Warum sollte er?«
Wahrhaftig, warum? Honey schaute auf den Tisch. Dort lagen noch ein paar Fleischpakete.
|78| »Sie haben noch welche vergessen.«
»Das ist Schweinefleisch. Das wird separat von den Steaks aufbewahrt.«
»Dieses ›Coronation Chicken‹ 2 riecht köstlich.«
»Es ist nicht so gut, wie Sie meinen. Oliver hat es gemacht. Ich schmeiße das Zeug hier weg und mach mein eigenes. Nehmen Sie sich was mit. Mit den Komplimenten des Hauses.«
Sie dankte ihm. Weil »das Haus« in diesem Fall Stella Broadbent war, hätte Honey das
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