Dinner für eine Leiche
Eile, den grausigen Einzelheiten zu entkommen, hatte sich Honey das erste Paar Schuhe geschnappt, das sie erwischen konnte, und war aus dem Haus gesprintet. Es war eindeutig das falsche Paar, mit viel zu hohen Absätzen und zu engen Spitzen. Jetzt brachten ihre Füße sie beinahe um.
Ihr Handy klingelte, und sie blieb zwischen der äußeren und der inneren Tür des La Reine Rouge stehen, um das Gespräch anzunehmen.
»Sie haben die
brassière
«, verkündete Alistair vom Auktionshaus Bonhams.
»Ich doch nicht. Für so was habe ich nicht geboten.«
»Doch, den Oberweitenberuhiger, den Büstenhalter.«
Das kegelförmige Monster, den BH aus den fünfziger Jahren in einer Größe, in der man preisgekrönte Zuckerrüben oder Bowlingkugeln verstauen konnte.
|82| »Alistair, da haben Sie einen Fehler gemacht. Sie haben doch gesehen, wie ich den Zettel zerrissen habe.«
»Tut mir leid, meine Schöne. Sie müssen den falschen zerrupft haben. Ich hatte zu viel zu tun und hab das nicht bemerkt. Jetzt haben Sie einen BH, der einer Fünfzehnmeter-Frau passen würde!«
Das war keine gute Nachricht. Ja, sie sammelte antike Dessous, und die kegelförmigen BHs der fünfziger Jahre waren in letzter Zeit wieder ziemlich gefragt. Siehe Madonna. Allerdings wohl nicht in dieser enormen Größe. Nach allem, was Alistair ihr erzählt hatte, konnte niemand in diesem speziellen Modell sexy aussehen, Jerseykühe vielleicht einmal ausgenommen.
Aber da gab es keine Widerrede. »Ich komme das Ding abholen.«
Doch zuerst die Adressen beschaffen. Dass Oliver Stafford ein Frauenheld gewesen war, überraschte sie nicht. Sie erinnerte sich an sein Aussehen: mittelgroß, feste Muskeln, fitter Körperbau, klassische Gesichtszüge, Schlafzimmeraugen, Wahnsinnsego und jede Menge Sex-Appeal. Ein Superhengst, zumindest hatte er selbst das so gesehen.
Die bloße Vorstellung von dem Kerl brachte sie auf die Palme. Wie viele Frauen hatte er verführt? Schon allein bei dem Gedanken lief es ihr kalt über den Rücken. Nicht wegen der Anzahl, sondern weil eine von den Frauen ihr sehr am Herzen lag. Lindsey. Sie hatte keine Sekunde vor, Steve von ihrem Gespräch mit Carmelli zu berichten. Der konnte sie mal! Er hatte sie im Beau Brummell Hotel voll ausgebremst, nur weil sie zu gern Brilli Broadbent in Verlegenheit gebracht hätte. Jetzt war sie an der Reihe. Sie wollte Olivers Mörder finden, ehe Steve ihn fand. Allerdings brauchte sie dazu seine Hilfe. Wenn sie geschickt genug vorging, konnte sie es schaffen.
Sie hatte Steve gefragt, was Stella Broadbent zu dem Massai-Krieger gesagt hatte.
»Sie hat bestätigt, was wir schon vermutet hatten: dass ihn jemand |83| bei einer Agentur für diese Art von Scherzauftritten angeheuert hatte und dass alles ein Riesenwitz war.«
»Und wo ist unser unerschrockener Krieger?«
Steve zuckte mit den Schultern, und es fiel ihm eine Locke ins Auge. Honey wurde ganz warm ums Herz.
»Weiß nicht«, erwiderte Steve. »Irgendjemand hatte es drauf angelegt, sie ziemlich dumm dastehen zu lassen. Sie hat anscheinend in letzter Zeit einiges in dieser Art durchmachen müssen – du weißt schon: falsche Lieferungen, angemeldete Gäste, die nicht kommen, ganze Schulklassen, die auftauchen und Tee mit Sahnetörtchen haben wollen.«
Honey konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zwischen Stellas gehobenem Etablissement und Banden von Schulkindern lagen Welten.
Casper las gerade in der »Western Daily Press«, als Neville Honey zu ihm hineinführte.
»Haben Sie das hier gesehen?«, fragte er in kämpferischem und alles andere als erfreutem Ton, ohne den Kopf zu heben.
Sie wartete nicht ab, bis er ihr einen Stuhl anbot, sondern setzte sich gleich hin. Sie seufzte. »Na ja, das war ja zu erwarten, dass das auf die Titelseite kommen würde.«
Casper raschelte entrüstet mit der Zeitung und tauchte dann dahinter auf. »Aber das ist es ja gerade. Wir sind ganz eindeutig
nicht
auf der ersten Seite.«
Honey runzelte die Stirn und verrenkte den Hals, um einen Blick auf die Titelseite zu werfen. Die Schlagzeile lautete: Preisgekrönter Chefkoch ermordet aufgefunden.
»Aber da ist doch die Meldung.« Sie tippte auf die Zeile.
Casper schnaufte verächtlich und schaute sie vorwurfsvoll an. »Ich meine das Ergebnis des Wettbewerbs. Bis Seite drei kein Wort über Baths Internationale Sternekoch- und Speisenwoche. Und dann nur ein paar außerordentlich seltsam gewählte Worte.
Grande Epicure
Koch gewinnt lokalen
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