Dinner für eine Leiche
eine Weile Rast zu machen. Sie wühlte in ihrer Tasche und zog Sylvester Pardoes Adresse hervor. Sein Restaurant war in Broadway, einer Stadt in den Cotswolds. Es bot
haute cuisine
und dementsprechend hohe Preise. Nun gut, dies war eine polizeiliche Untersuchung, aber es konnte sie doch niemand daran hindern, den Mann einmal anzurufen und sich zu erkundigen, warum er sich aus der Jury zurückgezogen hatte. Sie konnte ja behaupten, sie wäre Journalistin, und brauchte ihren richtigen Namen nicht anzugeben.
Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist.
»Hallo?«
Die Person am anderen Ende stellte sie zu Sylvester Pardoe durch. Sie plapperte ihre Lüge, wünschte aber sofort, sie hätte alles ein bisschen besser durchdacht, als er sie nach ihrem Namen fragte.
|95| »Mary Jane Jeffries«, antwortete sie automatisch. »Ich nehme an, Sie wissen, dass der Gewinner des BISS-Wettbewerbs ermordet wurde«, fügte sie hinzu. »Möchten Sie etwas dazu sagen, warum Sie sich aus der Jury zurückgezogen haben? Ich meine, hatten Sie eine Vorahnung, dass etwas Schreckliches geschehen würde?«
Sie schrak vor ihren eigenen Lügen zusammen. Sie waren so durchschaubar.
Es trat eine Pause ein.
»Ist das Ihr Ernst?«
Honey geriet in Panik. »Natürlich. Warum nicht?«
Noch eine Pause. Sie konnte sein Misstrauen beinahe über die Funkwellen spüren.
»Persönliche Gründe.«
»Darf ich fragen, welche?«, hakte Honey nach.
»Nein. Dürfen Sie nicht.«
Dann war die Leitung tot.
»Sehr freundlich«, murmelte sie und stopfte ihr Handy wieder in die Tasche zurück. Was nun?
Von hier zu Bonhams war es nur ein Katzensprung, und dort erwartete sie der hässliche BH. Ein paar Minuten Entspannung würden ihr vorher guttun.
Ein Mann, der ihr irgendwie bekannt vorkam, setzte sich ans andere Ende der Bank. Er zog eine braune Papiertüte aus der Tasche und begann ein knuspriges Brötchen zu essen. Die Tauben, die gleich merkten, wenn es irgendwo ein kostenloses Mittagessen zu ergattern gab, drängten sich in Scharen um seine Füße. Eine war entschlossener als alle anderen, attackierte ihre Konkurrentinnen jedes Mal, wenn sie es wagten, sich auf eine Krume zu stürzen, auf die sie ihr Auge geworfen hatte.
Der Mann lachte über die Kämpfe. Honey schaute ihn an. Er blickte zurück.
»Sie kenn ich doch«, behauptete er mit starkem Somerset-Akzent.
|96| Honey runzelte die Stirn. Kannte sie ihn? Wollte sie überhaupt zugeben, dass sie ihn kannte? Er hatte rosige Bäckchen und buschige Augenbrauen.
»Sie wissen auch, wer ich bin«, ergänzte er begeistert und drehte die Hände mit den Handflächen nach außen.
Sie starrte ihn an. Wirklich?
»Na klar, na klar, na klar«, sagte er, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »Sie erkennen mich nur ohne Klamotten nicht.«
Irgendwas stimmte nicht ganz an dieser Aussage. Er trug eine Polyesterhose und ein Jeanshemd. Also war er ja nicht »ohne Klamotten«. Er hatte welche an. Und sie erinnerte sich nicht daran, einen rotwangigen nackten Mann gesehen zu haben – nicht in letzter Zeit jedenfalls.
»Bitte?«
Er langte nach unten und zog etwas aus der Papiertragetasche, die er auf dem Boden abgestellt hatte. Er setzte sich das Ding auf den Kopf.
Honey erkannte den Dreispitz eines Sänftenträgers.
»Jetzt erkennen Sie mich wieder«, trompetete er mit einem lustigen Grinsen.
»Ah ja, natürlich«, erwiderte sie fröhlich. »Wie lange sind Sie schon im Sänftengeschäft?«
»Nicht lange. Ist aber ein gutes Geschäft. Super Lebensqualität. Ich hatte früher ein Lokal. Dann hatte ich davon die Nase voll. Klasse Kunden, doch das heißt ja nicht, dass die völlig pflegeleicht sind. Wir hatten mit denen manchmal alle Hände voll zu tun, zum Glück nicht allzu oft. Sie haben ein Hotel?«
Sie bestätigte ihm das.
»Dann schlagen Sie sich mit Köchen herum. Die können ziemlich aggressiv sein, echt. Ich erinnere mich an eine furchtbare Prügelei. Zwei Köche sind sich in meiner Bar an den Kragen gegangen. Preisgekrönte Chefköche noch dazu. Die hätten sich gegenseitig umgebracht, wenn ich mich nicht eingemischt und sie auseinandergezerrt hätte.«
|97| »Das kann ich mir gut vorstellen.« Gewiss konnte sie das. Seine breiten Schultern passten zum breiten Somerset-Dialekt.
Ihre Bewunderung war etwas zu offensichtlich gewesen. Der Mann sah außerordentlich gebauchpinselt aus und ließ die Muskeln spielen. »Brauch ja auch breite Schultern für das, was ich jetzt mach. Und die passen doch
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