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Dinner mit Rose

Dinner mit Rose

Titel: Dinner mit Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Hawkins
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hin. »Wohl bekomm’s.«
    »Das ist ein Giftanschlag auf eine alte Frau!« Rose schüttelte den Kopf. »Zu meiner Zeit hatte die jüngere Generation etwas mehr Respekt vor der älteren. Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig war, Percy den Rest zu geben – wahrscheinlich fällt er gleich tot um.«
    »Nie im Leben«, widersprach ich. »Er ist aus härterem Holz geschnitzt. Aber Mum und Dad können den unmöglich auf dem Markt verkaufen. Sie würden aus der Stadt gejagt.«
    »Sie müssen es mit Absicht getan haben. Was für einen Grund hast du deinen Eltern gegeben, dich so zu hassen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich versuche doch nach Kräften, eine gute Tochter zu sein.«
    Eine lange, schläfrige Stille trat ein; wir tranken unseren Wein und verscheuchten träge die Wespen.
    »Verdammte Biester«, brummte Tante Rose. »Sie sind im Pflaumenbaum. Ich müsste die Pflaumen pflücken, aber es ist mir einfach zu anstrengend.«
    Ich runzelte die Stirn. Rose ist eine hingebungsvolle Nutzerin von Gaben der Natur – sie würde genauso wenig eine Ernte verderben lassen wie eine Affäre mit einem halbwüchsigen Latinotänzer beginnen. »Geht es dir nicht gut?«, fragte ich.
    »Ich bin nur müde.«
    »Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    Sie seufzte. »Stimmt. Ich habe auch schon daran gedacht, zu Dr. Milne zu gehen. Vielleicht leide ich unter Eisenmangel oder etwas Ähnlichem.« Sie lächelte. »Oder ich brauche einfach nur etwas mehr Wein – sei ein Schatz und schenk mir noch ein Glas ein, ja?«

    An einem schwülen Nachmittag, der eher in den Februar als in den April passte, reichte mir Amber eine mit einem roten Punkt versehene Akte.
    Hypochonder oder notgeiler Typ? fragte ich mich, als ich meinen Drei-Uhr-Termin hereinbat. »Hi, ich bin Jo Donnelly. Was kann ich für Sie tun?«
    »Neville.« Mein neuer Patient streckte mir eine warme, feuchte Rechte hin und umschloss meine Hand wesentlich länger als unbedingt notwendig. »Sieh an, sieh an. Die kleine Josie Donnelly. Du hast dich ganz schön rausgemacht, das muss ich schon sagen.«
    Auf so eine Bemerkung gibt es keine passende Antwort, also ging ich erst gar nicht darauf ein. »Was für Beschwerden haben Sie?«, fragte ich.
    »Letzte Woche ist beim Squash irgendwas mit meinem Bein passiert, und seitdem wird es immer schlimmer statt besser.«
    »Ist es morgens schlimmer oder erst, wenn Sie schon eine Weile auf sind?«
    »Morgens tut es weh, und tagsüber wird es schlimmer.«
    »Das klingt nicht gut. Waren Sie schon einmal hier? Ich rufe nur schnell Ihre Krankengeschichte ab.«
    »Wharfe«, teilte er mir mit. »Neville Wharfe, Taylor’s Bloc k Road.« Ich wandte mich kurz ab, um seinen Namen in den Computer einzugeben, und als ich mich wieder umdrehte, krempelte er gerade seine Hose hoch und entblößte dünne, kurze Beine mit knubbeligen Knien. »Der Schmerz sitzt eigentlich mehr in der Leistengegend, meine Liebe. Genau hier. Fühlen Sie mal, wie verhärtet alles ist.«
    Zwanzig Minuten später verließ er als enttäuschter Mann die Praxis – ich hatte eine Reihe von Übungen mit ihm gemacht und mich geweigert, die Innenseite seines Oberschenkels zu massieren. Ich öffnete das Fenster, um den im Raum hängenden Geruch seines Rasierwassers zu vertreiben (er hielt es offenbar mit dem Motto: Viel hilft viel), und ging hinaus, um mit Amber zu sprechen.
    »Bob McIntosh schaut gleich vorbei«, informierte sie mich mit düsterer Schadenfreude.
    »Auch das noch!«, entfuhr es mir. Bob war ein krankhaft schüchterner Mann Ende vierzig mit wässrigen Augen, einem Atem, der einen Ochsen niederstrecken könnte, und riesigen Hautporen. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht damit, dass er durch die Gegend fuhr und den Leuten fragwürdige Kuhstallreinigungsmittel und Tierarzneien anzudrehen versuchte – Dad hatte sich früher jedes Mal hinter einer Hecke versteckt, wenn sein kleiner Transporter die Auffahrt hochkam. Unseligerweise hatte er nach dem ersten Blick auf mich beschlossen, dass ich passabel aussah und somit als potentielle Kandidatin für den Posten einer Ehefrau in Frage kam. Und trotz seiner angeborenen Schüchternheit ließ er sich nach diesem einmal getroffenen gewichtigen Entschluss nicht von seinem Vorhaben abbringen. »Hättest du ihm nicht sagen können, dass wir ausgebucht sind?«
    »Das hab ich letztes Mal gemacht«, verteidigte sie sich.
    »Na, dann hättest du eben behaupten sollen, ich hätte Lepra oder Beulenpest

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