Dinner mit Rose
Mühe mache. Michael! Charlie! Seid so gut und hört auf, euch gegenseitig die Augen auszukratzen – ach, schon gut. Komm rein, Josie, und erzähl mir, was es Neues gibt.«
Clare hat ein schönes Haus, oder zumindest macht es von außen einen schönen Eindruck. Aber der Fußboden war heute zentimeterhoch mit billigem Plastikspielzeug übersät, und jemand hatte erfolgreich versucht, bis zu einer Höhe von circa einem Meter die Tapete von der Wand zu reißen. Ein Kätzchen mit lauerndem Blick beobachtete uns von seinem Platz oben auf der Mikrowelle, und die Küchenbank verschwand unter Stapeln von schmutzigem Geschirr.
»Setz dich«, forderte Clare mich auf. »Nein, nicht dorthin! Charlie ist heute Nachmittag ein kleines Missgeschick passiert. Hier.« Sie hob einen Stoß alter Zeitungen von einem anderen Stuhl und legte sie auf den Tisch, von wo sie langsam zu Boden glitten. »Lass nur«, stöhnte sie. »Wirklich. Wein?«
»Ja, bitte.« Ich gab ihr die mitgebrachte Flasche. »Hoffentlich ist der hier okay – ich habe ihn gekauft, weil mir das Etikett bekannt vorkam, aber dann hatte ich den schrecklichen Verdacht, dass es mir bekannt vorkam, weil wir den schon mal getrunken haben und er wie Terpentin geschmeckt hat.«
»Wen stört’s?«, versetzte Clare. »Hauptsache, er enthält Alkohol. Wie geht es dir übrigens so?«
»Gut.« Ich setzte mich an den Tisch und schuf Platz für zwei Weingläser. Es war ein stiller, sonniger Abend, und die mit Büschen bewachsenen Hügelketten hinter der Glastür waren in goldenes Licht getaucht und wirkten zum Greifen nah. Sie bildeten eine hübsche Kulisse für die zwei kleinen Jungen, die jetzt in der Mitte des Rasens ein Loch buddelten. Lucy konnten wir nicht sehen, aber sie kreischte immer noch mit bemerkenswerter Ausdauer. »Wie war das Kindergartenpicknick?«
»Oh, bestens.« Clare grinste. »Michael hat sich im Auto übergeben, und Lucy hat Maureen Staceys kleinen Sohn gebissen und musste in der Ecke stehen, aber sonst lief alles rund. Gott, der Wein ist himmlisch.«
»Da fällt mir ein Stein vom Herzen.«
»Fehlen dir die funkelnden Großstadtlichter nicht?«
»Nein. Wenn du in der Stadt lebst, dann redest du dauernd von Restaurants und Theatern, in die du gehen könntest, und am Ende kaufst du dir auf dem Nachhauseweg irgendetwas Fertiges und setzt dich vor den Fernseher.«
»Trotzdem stelle ich es mir herrlich vor, das tun zu können, wenn dir danach ist. Bevor ich Kinder hatte, habe ich meine Freiheit nie zu schätzen gewusst. Mittlerweile ist es schon ein größeres Unterfangen, loszugehen und etwas zum Anziehen zu kaufen.«
»Du hast doch hoffentlich nicht auf Heather Anne’s zurückgegriffen?«
»Noch nicht«, erwiderte Clare düster. »Nur auf das Kaufhaus. Und letzte Woche habe ich bei Farmlands eine richtig schicke Jeans gefunden.«
Michael erschien schwer atmend auf der Türschwelle. »Ich will ein Sandwich«, verlangte er.
»Es ist fast Zeit fürs Abendessen«, entgegnete seine Mutter.
»Will ein Sandwich!« Er trat mit einem schmutzigen Gummistiefel gegen den weiß gestrichenen Türrahmen. »Mum! Sandwich! Mum! Sandwich! Mum! «
»Um des lieben Friedens willen.« Clare stand mit grimmiger Miene auf. »Also schön! Am besten nimmst du auch gleich eins für deinen Bruder mit.«
»Er hat Aa in die Hose gemacht«, teilte Michael ihr schadenfroh mit. »Es läuft an seinem Bein herunter.«
»Na großartig«, stöhnte Clare.
»Ich mache das Sandwich, wenn du dich um die andere Bescherung kümmerst«, bot ich mich an.
»Danke.«
Ich machte Michael ein Erdnussbuttersandwich, das er angeekelt musterte, weil ich es in Quadrate statt in Dreiecke geschnitten hatte. Also teilte ich die Stücke nochmals diagonal, und jetzt lehnte er sie ab, weil die Dreiecke zu klein waren. Charlie saß auf dem Knie seiner Mutter, quengelte unaufhörlich und hielt ein Buch zwischen Clare und mich, so dass wir uns nicht sehen konnten. Lucy fiel die Stufen hinunter und schürfte sich das Knie auf – aber man hätte denken können, ihr Bein wäre abgetrennt worden, so ein Spektakel veranstaltete sie –, und zur Schlafenszeit musste Clare sich zu jedem der drei abwechselnd ins Bett legen, bis sie einschliefen.
»Die Freuden des Elternseins«, bemerkte Brett, der mit geschlossenen Augen auf der Couch lag, säuerlich. Clare war seit einer Dreiviertelstunde verschwunden, und ich fragte mich allmählich, ob sie überhaupt zurückkommen würde. »Seit vier Jahren haben wir kein
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