Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
mir auch ziemlich egal. Ich kenn die beiden nicht, weiß noch nicht mal, wie sie aussehen. Wir werden ja sowieso nicht gefragt. Das ist eine politische Entscheidung. Die drücken uns vom Ministerium einfach einen auf’s Auge und mit dem müssen wir dann leben. Ob wir wollen oder nicht!“
„Aber das ist doch eine Wahl zwischen Pest und Cholera.“
„Wieso?“
„Na ja, das eine ist eine Frau aus der Ostzone und der andere ist ein Saarländer.“
Tannenberg lachte. „Wenn du deine Feindbilder nicht hättest!“
„Dann schau dir die beiden halt mal an“, entgegnete Jacob, schlug die Sonntagszeitung auf, drehte sie um 180 Grad und schob sie hinüber zu seinem Sohn.
Tannenbergs Gesichtszüge versteinerten sich schlagartig, blickte ihm doch eine Frau entgegen, die eine frappierende Ähnlichkeit mit der Dinogestalt aus seinem Alptraum aufwies. Geschockt erhob er sich von seinem Stuhl. Da ihm plötzlich leicht schwindelig wurde, stützte er sich mit den Armen auf dem Holztisch ab, atmete zwei Mal tief durch und machte sich dann auf den Weg in Richtung der Küchentür.
„Wolfi, willst du etwa schon gehen? Du hast ja noch gar nichts gegessen!“
„Mutter, ich hab keinen Hunger. Mir ist der Appetit inzwischen auch gründlich vergangen“, gab er, ohne sich noch einmal umzuwenden, murmelnd zurück.
„Wer von euch hat diese Sache mit den Würfeln im Mund der Bildzeitung gesteckt?“, polterte Tannenberg sofort los, als er sein geräumiges Büro betrat. „Wie viel bekommt man denn für so eine Information?“
Für einen Moment herrschte Stille, explosive Stille. Ein Funke hätte genügt, um das gesamte Kommissariat in die Luft zu sprengen.
Geistesgegenwärtig sprang Dr. Schönthaler in die Bresche und versuchte für seinen Freund zu retten, was noch zu retten war. „Alter Junge, du kannst einem mit deinen Scherzen manchmal einen ganz schönen Schrecken einjagen. Warum fragst du eigentlich nicht, wer von uns denn die beiden Frauen umgebracht hat?“
Schlagartig war Tannenberg der Ernst seiner Lage bewusst. Er war zwar stinksauer darüber, dass irgendjemand einen direkten Draht zur Bildzeitung hatte. Aber seine engsten Mitarbeiter der illegalen Informationsweitergabe zu bezichtigen, das ging doch wohl entschieden zu weit.
Außerdem war es viel naheliegender, den Informanten im Kreis der Feuerwehrleute oder Sanitäter zu suchen, die sich ja ebenfalls lange Zeit am Fundort aufgehalten hatten.
„Späßle g’macht – koiner g’lacht“, versuchte er seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
„Ist ja wohl auch kein Wunder, Wolf“, erwiderte der Rechtsmediziner. „Übrigens wissen die von diesem Revolverblatt doch nicht alles“, ergänzte er nebulös und wartete auf eine Reaktion, die sich auch umgehend in Person Armin Geigers einstellte:
„Wieso, Doc?“, fragte er und krauste dabei die Stirn.
„Na ja, es waren nämlich nicht 5 Würfel mit der Augensumme 10, sondern es waren wieder 6 Würfel und auch wieder 12 Augen. Also genauso wie bei der ersten Frau. Ich hab den sechsten Würfel erst bei der Obduktion im Rachenraum entdeckt.“
„Also nix mit den einem Spielchen, wie die Bild am Sonntag gemeint hat“, entgegnete Kriminalhauptmeister Geiger ein wenig enttäuscht.
„Nein, damit wird wohl nichts!“
„Verdammt! Was soll das nur mit diesen beiden Zahlen? Was will der Täter uns damit sagen? Auf was will er uns hinweisen? Da steckt doch irgendwas dahinter. Nur was? Hat irgendeiner von euch eine Idee?“ Fragend blickte er in die Runde.
„Wolf, wir sollten auch nicht die Tatsache außer Acht lassen, dass schon wieder derselbe Ort gewählt wurde, um uns die Tote zu präsentieren.“
„Vollkommen richtig, Karl. Ganz wichtiger Aspekt!“, lobte Tannenberg. „Schon wieder dieser verfluchte Dinopark.“
„Direkt dazu: Die Frau wurde übrigens wieder durch dasselbe Zaunloch ins Gartenschaugelände gebracht.“
„Durch dasselbe Loch im Zaun?“, verlieh Kommissar Schauß seinem grenzenlosen Erstaunen Ausdruck.
„Ja, genau an derselben Stelle. Die war nämlich nur provisorisch zusammengeflickt.“
„Das gibt’s alles doch gar nicht!“ Tannenberg lehnte sich abgeschlafft an den Konferenztisch, an dem seine Kollegen saßen. Weil sich in dieser gekrümmtem Körperhaltung jedoch seine Genickschmerzen deutlich verstärkten, erhob er sich allerdings sofort wieder und begab sich zur Pinwand.
Sein Zeigefinger bohrte sich in den dort angebrachten Geländeplan der Gartenschau, und zwar in die
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