Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
thematischen Schwenk, dem Tannenberg zunächst inhaltlich nicht zu folgen vermochte: „Was halten Sie denn eigentlich von der aktuellen Entwicklung?“
„Welcher aktuellen Entwicklung?“
„Na, dass im Rennen um das Amt des neuen Polizeipräsidenten nur noch zwei Kandidaten verblieben sind?“
„Ähm ... Na ja, ... ich weiß nicht.“
„Das hab ich mir schon gedacht.“
„Was haben Sie sich schon gedacht?“
Der Oberstaatsanwalt antwortete nicht, sondern schlenderte mit wenigen Schritten an die Fensterfront, blickte kurz hinunter auf den Pfaffplatz und drehte sich dann wieder zu Tannenberg um. „Sehen Sie, ich bin der Meinung, dass es durchaus an der Zeit ist, endlich mal etwas frischen Wind in diesen verkrusteten, provinziellen Männerverein hier unten im tiefen Pfälzer Wald hineinwehen zu lassen. Deswegen hoffe ich von ganzem Herzen, dass sich das Innenministerium dazu entscheidet, die vakante Stelle mit dieser hoch qualifizierten Bewerberin aus den neuen Bundesländern zu besetzen.“
Tannenberg räusperte sich, hustete ein paar Mal, kommentierte die provokative Aussage jedoch nicht.
Dr. Hollerbach seufzte, nickte mit dem Kopf. Er schien die verbale Zurückhaltung Tannenbergs zwar nicht vorschnell als grundsätzliche Zustimmung zu werten, dafür kannte er den Leiter des K 1 nun doch zu gut, aber da von dessen Seite nicht umgehend Protest gegenüber seiner Meinung artikuliert wurde, witterte er Morgenluft. „Ach wissen Sie, Herr Hauptkommissar, das wär doch einfach mal was ganz anderes, finden Sie nicht auch?“
„Ja klar, warum denn eigentlich nicht?“
„Genau!“ Der Oberstaatsanwalt lächelte zufrieden. „Das ist aber mal eine äußerst erfreuliche, ausgesprochen innovative Position, die Sie gerade eben haben verlauten lassen – dafür gebührt Ihnen mein aufrichtiger Respekt.“
„Danke. Also ich für meinen Teil stehe sinnvollen, zukunftsweisenden Innovationen stets sehr aufgeschlossen gegenüber“, säuselte Tannenberg.
„Zumal die objektiven Fakten wohl eindeutig für die Bewerberin sprechen: Die Frau hat sich schließlich nach der Wende beim Aufbau der Polizeistrukturen in den neuen Bundesländern enorme Verdienste erworben. Besonders in Rostock muss sie geradezu bahnbrechende Innovationen auf den Weg gebracht haben. Vorbildliches Engagement, kann ich da nur sagen, vor-bild-liches Engagement! Da könnten sich viele hier bei uns im Westen eine Scheibe davon abschneiden.“
„Dann ist sie aber dort doch unverzichtbar“, meinte Tannenberg grinsend. „Außerdem würde sich die Dame hier unten bei uns in der tiefsten Provinz garantiert nicht wohlfühlen. So ein dunkler Wald und diese mürrischen, verschlossenen Menschen ... Das liegt nicht jedem. Und vor allem wäre sie ja für die Arbeit mit uns Dilettanten völlig überqualifiziert.“
Schlagartig machte sich Ernüchterung bei Dr. Hollerbach breit. Während sich der Ausdruck ›Wolf im Schafspelz‹ in sein Bewusstsein drängte, winkte er ab und sagte: „Ach, hören Sie doch auf mit Ihren blöden Kalauern! Das war mir doch die ganze Zeit über schon klar, dass Sie in dieser Angelegenheit wieder genauso borniert denken, wie sonst auch.“
„Nun machen Sie aber mal halblang, Herr Oberstaatsanwalt!“ Tannenberg erhob die Stimme. „Was sollen diese Unverschämtheiten eigentlich?“
Sein Aufbrausen zeigte Wirkung. „Nichts, gar nichts. Vergessen Sie’s. Ist mir eben nur so rausgerutscht“, lieferte Dr. Hollerbach den Ansatz einer Entschuldigung.
„Ich wollte Ihnen ja eigentlich auch nur noch mitteilen, dass ich Kriminaldirektor Eberle außerdem gebeten habe, beim LKA Unterstützung anzufordern – und zwar in Person der Ihnen wohl bekannten Frau Kriminalpsychologin. Einen wunderschönen Tag noch, Herr Hauptkommissar“, sagte der Oberstaatsanwalt und machte sich auf den Weg zur Tür.
Plötzlich wandte er sich noch einmal zu Tannenberg um. „Sagen Sie mal, wieso wurde denn dieser Frauenbeauftragten-Kongress eigentlich nicht besser geschützt – zum Beispiel mit einem Großaufgebot von Polizeikräften?“
„Also erstens hab ich gedacht, dass diese Veranstaltung nach dem Tod der Organisatorin abgesagt ...“
„Ach, Sie haben mal gedacht? Das ist ja mal was ganz Neues“, warf Dr. Hollerbach höhnisch dazwischen. „Sie haben also gedacht, dass der Kongress abgesagt wird? Das ist aber wirklich keine gute Ausrede.“
„Außerdem hatten wir doch gar nicht die Leute für so eine Sicherungsmaßnahme“, versuchte
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