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Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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»Aber ja, natürlich. Ich habe während meiner Arbeit an der Dissertation oft in seinem Geschäft am Bonner Talweg herumgestöbert und auch später dort eingekauft. Bei Asiatica gibt’s schöne und wertvolle Stücke, wenn auch nicht ganz billig. – Allerdings habe ich mir damals nur ein paar Jadearbeiten leisten können.«
    Amara lächelte wissend. »Dann haben wir ja eine Beziehung zueinander, die länger zurückreicht als unsere Bekanntschaft – und das durch die Kunst. Wie schön! Wenn du möchtest, kannst du dir mit dem König des Tanzes die Zeit vertreiben, solange ich bei der Crew bin.«
    Noch eine Umarmung – und Botho von Campen war allein mit Shiva Natraj. Er konnte seinen Blick nicht von der Figur lösen. Alles war Bewegung und Harmonie. Der weit ausladende Kopfputz unterstrich die weitabgewandte Strenge des maskenhaften Gesichts.
    Welchen Reichtum an Kunst bot doch der Subkontinent Indien, und in welcher Armut lebte die Masse der Menschen. Sogar hier in Swirna, auf der an Bodenschätzen reichen Inselgruppe, wurde millionenfach um die tägliche Schale Reis gerungen. Die Stützpunkte der amerikanischen Flotte brachten zwar den Dollar ins Land – und Männer, die etwas erleben wollten, doch der wirkliche Preis für mehr Wohlstand und Hoffnung auf eine bessere Zukunft waren Korruption, Drogenmißbrauch und Prostitution. Allein zehntausend Kinder sollten es nach offiziellen Schätzungen sein, die nachts durch die Straßen der Großstadt streiften oder in den Rotlichthäusern feilgeboten wurden. Wie wenig zählte demgegenüber eine sündige Meile in Europa!
    Botho zweifelte, daß es jemals gelingen würde, diesen in Menschenmassen ertrinkenden Ländern auch nur einen Hauch vom Denken und Tun seiner Heimat zu vermitteln. Kulturabteilungen in den Missionen, Goethe-Institute, Kulturgesellschaften, Gastspiele von Orchestern und Bühnen – all das waren unter der stechenden Sonne nur schnell verdunstete Tropfen auf dem heißen Stein.
    Botho hatte das Licht gelöscht und war noch einmal ans Fenster getreten. Nur der dunkle Horizont deutete an, daß es Nacht geworden war. Blaß wirkten die Sterne neben den Kaskaden von Licht, die an den Wänden der Wolkenkratzer emporschossen. Als ein fernes Brodeln drangen die Geräusche der nächtlichen City durch Fenster und Mauerwerk. Botho genoß es, mit einem Whisky in der Hand in die Nacht hinauszublicken und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    Amara kam früh zurück. »Nanu, du träumst in der Dämmerung?«
    »Nur von dir«, sagte er, obwohl es nicht die ganze Wahrheit war.
    »Möchtest du mehr Licht?«
    »Es ist hell genug«, sagte er verhalten. »Komm, dreh dich im Feuerkranz der Großstadtlichter; tanz für mich.«
    Amara spürte, daß Botho sich in einer fast unwirklichen Stimmung befand und nach etwas suchte, was vielleicht nur sie ihm geben konnte. Es war einer der wenigen Augenblicke, in denen zwei Menschen einander ganz nahe sind, so nahe, daß alle Schranken fallen. Sie wiegte sich ein wenig in den Hüften, ohne die Schultern zu bewegen, gab ihrem Körper eine sanfte Drehung und vollführte das Spiel der Hände und Finger, wie sie es als Kind von den Tempeltänzerinnen gelernt hatte.
    Botho, der die Gesten kaum verstand, spürte die Ausstrahlung wie eine Verheißung. Als er auf Amara zuging, um sie an sich zu ziehen, flüsterte sie: »Das ist kein Tanz für zwei – ich tanze allein, aber für dich.«
    »Komm«, sagte er. »Komm, wir müssen uns lieben, solange die Verzauberung anhält.«
    Sie tanzte mit gleitenden Bewegungen auf das Bett zu. Mit feinem Knistern fiel ihr Kleid zu Boden, und schnell folgte alles, was sie noch am Körper trug. Dann half sie Botho, die Hüllen der Zivilisation abzustreifen.
    Bald verbanden sich die Laute der Lust mit den Lichtkaskaden, die herüberschossen, zu einem furiosen Feuerwerk.
     
     
    Erst im Dämmern des Morgens hatten Amara und Botho sich voneinander gelöst. Sie wurden wach, als der Etagenboy das Frühstück servierte. Auf den Early-morning-tea hatten sie verzichtet, obwohl es nichts Köstlicheres gab, als mit einer Tasse Souchong geweckt zu werden – wenn man allein schlief.
    »Ich denke, wir haben ein gutes englisches Frühstück verdient«, sagte Botho und rückte den Tisch zurecht. »Prächtig: Porridge, Harn and Eggs, Sausages, Toast und Orangenmarmelade – alles, was das Herz begehrt.«
    Nachdem sie die erste Tasse Tee getrunken hatten, tippte Amara ihn in die Seite. »Ich habe noch eine Überraschung für

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