Diplomat Im Abseits
Wasser ragende Frachtschiffe, die ihre Ladung schon losgeworden waren, lichteten die Anker. Von der Steilmauer des Gartengeländes der Villa Hammerschmidt beobachteten BGS-Beamte, die hier für die Sicherheit des Staatsoberhauptes sorgten, das ungewöhnliche Schauspiel auf dem Rhein.
Am Bundeshaus trat Freiberg auf die Bremse und fuhr rechts ran. »Diese ewige Baustelle schauen wir uns mal genauer an.« Lupus stieg als erster aus und stolperte über ein Schalbrett.
»Verdammt, hier werden unsere Steuergelder in den Sand gesetzt, damit wir uns die Beine brechen. Dabei werden die Konföderierten doch schon bald nach Berlin umsiedeln müssen. Was wird dann aus den Beamtensilos am Rhein?«
»Altersheime, vermute ich. Die Universität ist auch schon scharf drauf; aber das wird noch dauern. – Aha, da steht auch ein richtiger Bauzaun.«
Lupus ging darauf zu. »Vielleicht haben die von hier aus eine prüde Sekretärin in Ketten gelegt und in Deutschlands lieblichen Strom expediert. – Chef, Walter, der Zaun steht wirklich auf Betonfüßen.«
Sie traten bis an die Absperrung. In der Nähe der provisorischen Einfahrt für Baustellenfahrzeuge lagen noch zwei Betonfüße, allerdings hinter dem geschlossenen Tor. Lupus machte Anstalten, die zusammengefügten Zaunteile auseinanderzudrücken und sich hindurchzuzwängen.
»Bist du verrückt?! Hier am Bundeshaus! Da haben wir gleich den Objektschutz am Hals. Hier müssen wir fragen, nicht klauen.«
Wie zur Bestätigung trat aus einem von Büschen verdeckten Bauwagen ein Polizeibeamter mit über die Schulter gehängter Maschinenpistole heraus und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. »Nanu, Kommissar Freiberg und Hauptmeister Müller als Zaungäste? Ich kenne Sie vom Polizeifest, als Sie die Tombola gemanaged haben – ich hab’ ‘ne Kiste Wein gewonnen.«
»… und soeben haben Sie eine strafbare Handlung verhindert. Kollege Lupus wollte gerade durch den Zaun klettern und einen Betonfuß – so wie den dort – mitnehmen«, erklärte Freiberg.
Der Objektschützer sah ihn ungläubig an. »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen – das kann doch nicht wahr sein, oder?«
»Doch, doch«, bestätigte Freiberg. »Wir brauchen das gute Stück in einer Mordsachenermittlung. Die Tote von der Beueler Platte hatte so einen Klotz am Bein.«
»Donnerwetter! Wenn das so ist. Ich hab’ schon gehört, daß der Bagger eine Frau heraufgeholt hat, ermordet? Kommen Sie; ich nehme das auf meine Kappe. Ich habe einen Schlüssel für den Nebeneingang – das Haupttor kann nur die Baudirektion öffnen.«
»Wird dieser Parlamentskomplex jemals fertig?« fragte Lupus.
»Wohl erst dann, wenn wir uns die Beine in den Bauch gestanden haben oder in Pension gehen«, antwortete der Polizist ohne Begeisterung. »Den Klotz müssen Sie aber allein tragen. Ich kann beim besten Willen nicht in Uniform und mit der MP über der Schulter die Baustelle abräumen.«
»Schon gut«, beruhigte Freiberg. »Wir schaffen das schon.«
Der stämmige Lupus wollte seinem eher schmalgliedrigen Kommissar die Peinlichkeit ersparen, mit dem Betonfuß nicht fertig zu werden und griff mutig zu.
»O heiliger Sankt Ischias«, fluchte er und schleppte die Beute zum Auto. »Puh, so ein Ding an den Füßen, und ich würde keinen Schritt mehr gehen.«
Freiberg schloß den Kofferraum auf und schaffte mit einigen Handgriffen Platz. Lupus wuchtete mit einem letzten Aufstöhnen den Klotz über die Kofferraumkante und ließ ihn fallen. Mit einem mächtigen Rums ging UNI 81/12 in die Knie.
»Lassen Sie sich mal im ersten Kommissariatsehen, damit wir eine Tasse Kaffee miteinander trinken können. Ich erzähl’s Ihnen dann gern, wie es weitergegangen ist«, bedankte sich Freiberg bei dem Objektschützer.
Lupus klopfte Betonstaub von den Händen und verabschiedete sich mit einem »Tschüs, Freund und Helfer«.
Die nächste Baustelle war am Haus Carstanjen, wo das Finanzministerium neue Räume für den Büroschlaf erstellen ließ. Aber einen montierten Bauzaun gab es hier nicht, nur provisorische Sicherungen mit rotweiß gestreiften Brettern.
Inzwischen waren Ahrens und Peters auf der anderen Rheinseite bis Königswinter vorgedrungen. An vielen Stellen wurde gearbeitet, aber Großbaustellen mit entsprechender Absicherung durch Montagezäune entdeckten sie in Rheinnähe nicht. Zwischen Rhöndorf, wo der große Alte privatisiert hatte, und Bad Honnef lief die Autostraße parallel zur Bundesbahn hart am Rheinufer entlang; kein
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