Diplomat Im Abseits
nicht verkommen«, freute sich Lupus und schob sich, wie ein Kaninchen mümmelnd, das Würstchen zwischen die Zähne.
Ahrens und Peters waren sauer, weil ihre Suche erfolglos geblieben war. Sie kauten still vor sich hin. Singer saß mißmutig auf seinem Stuhl und aß nur Brot.
Kommissar Freiberg kleckerte Senf auf die beschriebenen Blätter und entschuldigte sich bei Fräulein Kuhnert. »Hört mal her, was die Rechtsmediziner herausgefunden haben. Eigentlich kein Thema beim Essen, aber wir sind ja Kummer gewöhnt, und die Zeit drängt.«
Lupus ließ seine Zähne noch einmal zuschnappen »…und Kollege Singer ist jetzt besonders leichenfest.«
Freiberg klopfte mit dem Knöchel auf die Schreibtischplatte. »Also, Nachricht von Klenze: Die Verletzungen unserer Toten scheinen im wesentlichen durch Kollisionen mit Schiffen und durch die Baggerarbeiten verursacht zu sein. Aber – und jetzt wird’s spannend – es gibt eine Verletzung, die eher beim Erhängen auftritt, und zwar ein Kehlkopfhornbruch.«
Alle sahen überrascht auf.
»Und was hat das zu bedeuten?« fragte Peters.
»Wird der Kehlkopf durch zu starken Druck der Schlinge gegen die Wirbelsäule gepreßt, dann bricht das Kehlkopfhorn; das ist ein dünner, nach hinten gerichteter Knochen«, erläuterte Freiberg, so gut er konnte, und nahm noch einen kräftigen Schluck Kaffee.
»Macht ziemlich tot, was?« brummte Lupus.
Singer würgte am letzten Bissen seiner Schnellmahlzeit.
Freiberg überflog noch einmal den Zettel und suchte nach Hinweisen auf Tod durch Erhängen, aber eine Strangmarke wurde nicht erwähnt. Klenze hätte bestimmt darauf hingewiesen, wenn er sie entdeckt hätte.
»Passiert dieser Kehlkopfhornbruch nur beim Erhängen?« wollte Ahrens wissen.
Freiberg zuckte die Achseln. »Da bin ich nicht sicher – aber das werden wir klären. Ich meine allerdings, beim Lehrgang über Rechtsmedizin gehört zu haben, daß es für Kenner und Könner einen Würgegriff gibt – mit eben diesen Folgen. Der Täter steht hinter dem Opfer, die Finger fest an der Kehle. Beide Daumen pressen von hinten mit aller Gewalt gegen den Schädelansatz, und die anderen Finger drücken von vorn. – Komm, halt deinen Kopf mal her.«
Freiberg stand auf und demonstrierte den Griff an Ahrens’ Hals.
Fräulein Kuhnert sah skeptisch zu. »Muß das sein?«
»Unser Chef ist ein ganz sanfter Killer«, beruhigte Lupus sie. »Aber ihr solltet bald heiraten; Dienstunfälle bringen eine gute Witwenversorgung.«
»Schandmaul!« fuhr Freiberg ihn an. »Also – das ist der Griff, der so schnell vom Leben zum Tod verhilft; erst geben die Knorpel nach, dann bricht der Kehlkopfknochen.«
Freiberg ging zum Schreibtisch zurück und öffnete den Briefumschlag. Zwei Dutzend Schwarzweiß-Fotos, in Hochglanz, Format 18x24, alle gestochen scharf, zeigten die Tote auf dem Bagger. Niemand in der Runde ließ den Blick länger als ein paar Sekunden auf den Bildern haften; Lupus sah gar nicht erst hin. Singer kämpfte erneut mit der Übelkeit.
Fräulein Kuhnert hatte sich neugierig vorgebeugt; sie nahm jedes Detail wahr. »Mein Gott, das ist ja grauenhaft. Die arme Frau.«
»Große Seelen dulden still«, versuchte Freiberg mit einem Zitat zu trösten. »Wer kommt mit zur KTU, Beweismittel ansehen?«
Peters schüttelte verneinend den Kopf. Lupus deutete auf Singer. »Wir brauchen ein paar starke Männer für die Vergleichstücke aus dem Kofferraum.«
Ahrens stand als erster auf. »Komm, Singer, wir holen die Ladung aus dem Auto.«
Der dachte an seinen strapazierten Magen, wagte aber nicht, sich der Aufgabe zu entziehen.
Gut zehn Minuten später trafen sich die Akteure im Labor der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle. Der Betonfuß aus dem rechtsmedizinischen Institut stand schon auf dem Tisch. Ahrens stellte die Stücke aus dem Kofferraum daneben.
»Scheint aus einer Lieferung zu stammen«, erklärte Hauptkommissar Lützel. »Dreht die Dinger doch mal um!«
Ahrens und Singer kippten die schweren Klötze auf die Seite. Lützel hatte das Exemplar aus der Rechtsmedizin ebenfalls umgedreht. Lupus pfiff durch die Zähne; alle drei Betonplatten zeigten eine zigarettenschachtelgroße Einprägung: A-H.
»A-H steht nicht für Deutschlands Verderber, sondern für Arnold Holder; das haben wir schon festgestellt. Die Betonfüße hat die Firma an zahlreiche Bauunternehmer und Gerüstbauer geliefert – vor allem hier im Rheinland«, verkündete Lützel mit einiger Selbstgefälligkeit. »Und wo
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