Diplomat Im Abseits
nichts. Ich habe mit dem Kanzler der deutschen Botschaft in Swirnabad gesprochen. Danach ist die Frau des Kulturreferenten Botho von Campen, die mit ihrem Mann an dem Empfang des rumänischen Botschafters teilgenommen haben dürfte, bisher nicht nach Swirnabad umgezogen; sie wohnt noch in Bonn. Ihr Mann hat sie vor gut einer Woche hier besucht. Und sie ist…« Freiberg dehnte die letzten Worte, »…sie ist Thailänderin.«
14
Auf das Stichwort »Telefonbuch« war Fräulein Kuhnert im Amtlichen schnell fündig geworden. B. von Campen hatte sich ohne Berufsbezeichnung eintragen lassen und wohnte in der Viktoriastraße im Diplomatenviertel.
»Nun sieh einer an!« rief Lupus überrascht. »Das ist ja meine nächste Nachbarschaft. Die Kronprinzenstraße schließt direkt an die Viktoriastraße an. Da gibt’s ein Objekt mit teuren Eigentumswohnungen, vorwiegend von gut betuchten Mitbürgern bewohnt, aber auch prächtige Altbauten, die von einem Diplomaten zum anderen weitergereicht werden. Wir haben auch schon daran gedacht, unsere viel zu teure Erbvilla zu einer kleinen Goldgrube zu machen.«
Freiberg hatte die Telefonnummer gewählt. Aber er wartete vergeblich – der Hörer wurde nicht abgenommen. Lupus war aufgestanden und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Fensterbank. »Es wäre ja auch zu schön gewesen; warum sind eigentlich so viele Damen so wenig zu Hause?«
»Was weiß ich«, seufzte Freiberg, »die adelige Gattin wird sich schon die Zeit vertreiben. Ich möchte ja nicht wissen, wie viele grüne Diplomatenwitwen irgendwo rumhängen und darauf warten, daß der Herr Gemahl in der Fremde endlich eine adäquate Wohnung und das richtige Personal gefunden hat.«
»Du meinst, die Damen sind zu anspruchsvoll?«
»Hier in Bonn mit den aus ihrer Sicht kümmerlichen Inlandsbezügen wohl weniger, aber draußen mit allen Extras und Zulagen – da weiß man, was man ist.« Freiberg legte auf. »… meldet sich nicht.«
»Vielleicht liegt sie bei Professor Klenze im Tiefkühlfach«, sagte Peters, ohne den Worten besonderen Nachdruck zu verleihen.
»Du Unkenbold!« entrüstete sich Fräulein Kuhnert. »Die ist unterwegs und kauft sich schicke Sachen ein. Ich würde an ihrer Stelle auch ganz schön zuschlagen, bevor die Reise losgeht. – Gibt’s für die nicht auch Anschaffungskredite? Das muß doch herrlich sein, auf Staatskosten durch die Welt zu gondeln.«
Lupus schüttelte sich. »Was für eine entsetzliche Vorstellung: Immer wieder Trennung und Neuanfang. Für die Kinder muß das eine Tortur bedeuten, überall und nirgends zu Hause zu sein. – He, Ahrens, was hältst du von den Wünschen deiner Octopussy?«
Noch bevor Ahrens antworten konnte, schob Freiberg geräuschvoll seinen Stuhl zurück. »Sonst habt ihr keine Sorgen, oder? Lupus, Wolf aller Wölfe – wen nehmen wir uns als nächsten vor?«
Wie aus der Pistole geschossen kam die erwartete Antwort: »Die Frau – zuerst immer die Frau; in Diplomatenkreisen darf es auch die Gattin oder Gemahlin sein.«
Freiberg ging zur Tür. »Also, worauf warten wir noch?!«
Kriminalhauptmeister Wolfgang Müller, genannt Lupus, genoß es, von seinem Kommissar durch die Gegend kutschiert zu werden. Nur wenn Ahrens mit von der Partie war, saß Freiberg auf dem Beifahrersitz. Ahrens hatte seine Fahrerausbildung beim BGS erhalten und mehrere Schleuderkurse für Kolonnenfahrten und Notsituationen absolviert. Er fuhr wie der Teufel. Lupus hingegen hatte auf der Ente seiner studierenden Tochter das Gefühl für Geschwindigkeit und Sicherheit verloren und setzte sich nicht gern ans Steuer. Dafür spielte er um so lieber mit dem Infogeber und begleitete die Statuseingabe für CEBI mit bissigen Kommentaren. »So – nun hat uns der elektronische Blödmann wieder am Schlafittchen. Wo ist sie geblieben, die Zeit des freien Christenmenschen? Früher nannte man das Ermittlungen führen; heute sind wir auf Futtersuche für Festplatten, Arbeitsspeicher und Disketten. – Nimm das Gas zurück! Am Hochkreuz links ab, dann die Gotenstraße runter und am Heinrich-Herz-Gymnasium rechts rein.«
Freiberg fand das miniaturisierte gotische Türmchen mit dem anspruchsvollen Namen »Hochkreuz« inmitten des Verkehrsgewühls immer wieder putzig. Da das Original im Museum Zuflucht gefunden hatte, brauchte niemand der durch den Umweltschmutz schwindenden Schönheit des Kunstwerks nachzutrauern. – Also links ab und noch gut 1000 Meter bis zum Ziel. UNI 81/12 stoppte
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