Diplomat Im Abseits
vor dem Block mit wenigstens einem Dutzend Eigentumswohnungen. Lupus gab für CEBI über Knopfdruck den Status ein: Angekommen, im Einsatz.
Der nächste Druck auf den Klingelknopf mit dem Namen B. v. Campen brachte nichts.
»Wir müssen die Festung knacken«, sagte Freiberg und drückte mit der flachen Hand auf die linke Knopfreihe.
Über die Sprechanlage krächzte eine Frauenstimme. »Wer ist dort?«
»Polizei – wir möchten mit Frau von Campen sprechen.«
»Warum klingeln Sie dann nicht bei ihr?«
»Haben wir, aber sie meldet sich nicht. – Lassen Sie uns bitte ins Haus; es ist dringend. Wir müssen allen Bewohnern Fragen stellen.«
Das Türschloß sprang mit einem Summton auf. Lupus schob gleich den Fuß vor. »So, drinnen wären wir.«
Auf das wiederholte »Hallo« Freibergs meldete sich die Frau und rief: »Zweite Etage.«
Vor der Wohnungstür stand ein sehr resolut wirkender Grauer Panther. Igelhaarschnitt, Jeans und Pullover mit was drin, und drauf ein dicke, mehrreihige Kette.
Freiberg grüßte betont höflich und fragte vorsichtig: »Ist es nicht ein bißchen leichtsinnig, fremden Menschen die Tür zu öffnen?«
»Normalerweise schon, aber nicht bei Ihnen. Ich habe Sie von hier oben aus dem Polizeiwagen steigen sehen. – Sie wirken auch ziemlich echt.«
»Nun ja.« Freiberg lächelte und zeigte seinen Dienstausweis. »Wir sind auch echt. Vielleicht können Sie uns ein paar Auskünfte geben. Wir müssen dringend Frau von Campen sprechen, können Sie aber nicht erreichen. Wissen Sie, wo sie ist?«
»Die habe ich schon seit über einer Woche nicht mehr gesehen«, erklärte die Frau nach kurzem Überlegen. »Aber das muß nichts heißen; hier geht jeder seiner Wege. Vielleicht ist sie unterwegs, um sich von Freunden zu verabschieden. Sie wird wohl bald umziehen; ihr Mann ist ja schon seit einigen Monaten in Swirnabad.«
»Kennen Sie Frau von Campen näher?«
»Ein wenig, soweit man das in diesen Betonkästen überhaupt sagen kann; schließlich sind wir ja Flurnachbarn. Hören kann man von nebenan manchmal auch einiges – so gut isoliert sind die Appartements nicht.«
Lupus war an die Tür zur Nachbarwohnung getreten und läutete Sturm. – Drinnen blieb es still.
»Schon wieder ausgeflogen«, stellte die resolute Jeansträgerin fest. »Obwohl – so viele Freunde hat sie eigentlich nicht. Eine Thailänderin lebt bei uns ziemlich isoliert, vor allem, wenn der Mann im Ausland ist.«
»Könnten die anderen Hausbewohner wissen, wo Frau von Campen sich aufhält?«
»Das glaube ich nicht; mit denen hat sie keinen Kontakt.
Mir hat die Frau immer leid getan. Seit mein Mann tot ist, lebe ich hier allein, und da spricht man schon mal gern mit jemandem ein Wort – auch wenn es sich um eine Thailänderin handelt. Ich habe keine Vorurteile, wissen Sie.«
Freiberg trat einen Schritt näher. »Gibt es hier einen Hausmeister? Wir müßten mal in die Wohnung schauen, ob noch alles in Ordnung ist.«
»Kein Problem. Sie sind ja von der Polizei, und ich habe den Zweitschlüssel. Den hat mir Herr von Campen gegeben, als sie eingezogen sind. Vor einem Jahr müßte das gewesen sein. Ich habe den Schlüssel allerdings nie benutzt. – Warten Sie, ich hole ihn.«
Schon nach ein paar Sekunden hielt Freiberg den Türschlüssel in der Hand. Ob nun benutzt oder nicht – Frau Nachbarin hatte ihn jedenfalls sehr schnell gefunden.
Freiberg schloß auf. »Bleiben Sie einen Moment zurück. Wir müssen uns erst umsehen.«
Lupus hatte einem Reflex folgend schon die 9mm-Sig-Sauer in der Hand und ging voran.
Besonders elegant wirkte die Wohnung nicht, aber exotisch. Zwei Zimmer, Diele, Küche, Bad; mehr als leicht gehobener Standard war es kaum. Die Weißlackküche schien wenig benutzt worden zu sein. Interessant war nur die durchgehende Ausstattung der übrigen Räume mit Rattanmöbeln. Sogar die Schlafzimmereinrichtung war aus den Schilfpflanzen der tropischen Regenwälder Asiens hergestellt. Die helle Baumwolldecke mit naiven Tiermotiven gab dem breiten Bett etwas Verspieltes. Ein farbenfroher, mit Blumen und Ranken bestickter Seidenteppich ließ den Wohnraum hell und fröhlich erscheinen. Über allem lag ein feiner, fremd wirkender Duft. Schnitt- oder Topfblumen gab es nicht.
Lupus hatte nach einem schnellen Rundblick die Sig-Sauer wieder im Holster verschwinden lassen und den Grauen Panther herangewinkt. »Sie können hereinkommen.«
»Sieht ja alles sehr ordentlich aus«, stellte die Nachbarin fest. »Kein
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