Diplomat Im Abseits
Wunder, die Frau lebt immer allein und hat niemanden, dem sie nachräumen muß.«
Kommissar Freiberg blätterte im Notizkalender, der neben dem Telefon lag. Die vermerkten Termine ließen keinen Rückschluß auf ungewöhnliche Vorgänge zu. Café Dahm, Tyrasa-Moden, Konzert im kleinen Saal der Beethovenhalle, Gangolf Kino, Babylon, Treff Rolandsbogen, Friseur, Sauna und Sonnenbank; alles Notizen zum allgemeinen Alltag einer Diplomatenfrau, die den Kontakt zum Bonner Umfeld nicht ganz abreißen lassen will. Namen waren nicht notiert. Für die letzten drei Tage waren keine Eintragungen erfolgt.
»Gibt nicht viel her«, stellte Freiberg enttäuscht fest. »Aber wir nehmen den Kalender mit, auch das Foto hier.« Das Bild zeigte eine Thailänderin an der Seite eines Europäers.
»Das sind ja die beiden«, bestätigte die aufmerksam umherspähende Nachbarin.
»Können Sie sich erinnern«, fragte Freiberg, »ob Frau von Campen einen Ring mit gekreuzten Schlangenköpfen trägt – eine Arbeit in Gold und Platin?«
Die Gefragte zögerte. »Interessanten Schmuck hat sie; aber in meinem Alter – Gott sei’s geklagt – läßt die Sehkraft nach. Wenn ich keine Brille trage – ich bin ja auch noch eitel –, übersehe ich manche Feinheiten. Und wenn Sie den Ring meinen, der in der Zeitung abgebildet ist, an den kann ich mich nicht erinnern. Sie nehmen doch nicht an, daß…«
»Wir wissen noch nicht, wer die Tote ist. Das aufzuklären gehört auch zu unseren Aufgaben. Deshalb möchte ich Sie auch bitten, mit niemandem über unseren Besuch zu sprechen.«
»Kein Sterbenswort; auf mich können Sie sich verlassen.«
Freiberg zögerte, die Wohnung gründlicher zu durchsuchen. Es hätte einen Eklat erster Klasse gegeben, wenn sich Frau von Campen beim Auswärtigen Amt über ungerechtfertigtes Eindringen beschwert oder Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet hätte. Er gab das Zeichen zum Aufbruch.
»Ganz koscher erscheint mir die Sache nicht«, meinte Lupus. »Aber wir haben hier wohl – noch – nichts zu suchen.«
Freiberg nahm ein Blatt Papier aus dem Zettelkasten und schrieb etwas auf. »Hier bitte«, wandte er sich an die Nachbarin. »Eine Quittung für Ihren Zweitschlüssel. Sie haben doch nichts dagegen, daß wir ihn im Präsidium deponieren. Wenn sich im Hause etwas Ungewöhnliches tut, rufen Sie mich bitte unter der hier notierten Telefonnummer an. Eine Frage noch: Sind Sie während der letzten Tage ständig im Haus gewesen?«
»Nein, aber ich habe Herrn von Campen vor einer Woche im Aufzug begrüßt. Ich war auf dem Weg zum Bahnhof, um meine Tochter in Frankfurt zu besuchen; darum weiß ich das so genau. Ich bin erst gestern abend spät zurückgekommen.«
Freiberg setzte sein Sonntagslächeln auf. »Ganz herzlichen Dank für Ihre Hilfe. Und, wie gesagt, sprechen Sie bitte nicht über unseren Besuch; zu schnell ist ein Gerücht in der Welt.«
Als Lupus die Wohnungstür abschloß, dröhnte eine Stimme durch das Treppenhaus: »Was’n da oben los? Wer hat bei mir geklingelt?«
»Wir sind auf dem Weg zu Ihnen!« rief Freiberg und sah, daß die hilfsbereite Nachbarin schon damit begonnen hatte, Augen und Ohren offen zu halten; sie hatte ihre Wohnungstür nicht ganz zugezogen. Auf diese Hilfsbeamtin schien Verlaß zu sein; schon manchen Hinweis hatte die Polizei von Neugierigen bekommen.
Der Mann, der gerufen hatte, stand in der Tür zum Appartement, das genau unter Botho von Campens Wohnung lag.
Freiberg machte sich und Lupus bekannt.
»Kriminalpolizei? Da möchte ich erst mal Ihre Legitimation sehen.«
Nachdem er beide Ausweise eingehend geprüft hatte, öffnete er weit die Tür. »Danke, kommen Sie rein. Mein Name ist Hamann; ich bin Rentner und hüte den Stall. Meine Tochter ist mit ihrem Ehegespons auf Safari. Keine Kinder, zuviel Geld und Hummeln im Hintern. Da ist ein alleinstehender Vater als Hauskalfaktor nicht zu verachten. Aber mir gefällt es ganz gut in Bonn; mal ‘ne schöne Abwechslung, wenn man auf dem Lande lebt. Ich bin bei Wiedenbrück zu Hause. Aber das wollen Sie sicher gar nicht alles wissen. – Was is’n los da oben?« Hamann deutete mit dem Finger zur Decke.
»Wir müßten Frau von Campen dringend in einer Ermittlungssache sprechen; aber ihre Nachbarin weiß nicht, wo sie steckt.«
»Ich auch nicht.«
»Schade, wir dachten, Sie…«
»Gehört habe ich sie nur, als ein Mann da oben rumgebrüllt hat.«
»Wann war das bitte?«
»So ‘ne Woche wird’s her sein.«
»Ich
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