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Dir darf ich nicht gehören

Dir darf ich nicht gehören

Titel: Dir darf ich nicht gehören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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ihr Unterhalt, ihr
hart erkämpfter Friede, ja sogar ihre Identität waren ernsthaft in Gefahr.
    Viola
saß noch beim Frühstück, als er ins Esszimmer kam. Sie hatte ihn zwar erwartet
und sich dagegen gewappnet, dass ihre Privatsphäre gestört werden würde, aber
dennoch schien ihr Herz hart gegen ihre Rippen zu schlagen. Wenn dies überhaupt
geschehen musste - warum konnte er dann nicht alt oder hässlich oder
unattraktiv sein? Warum hatte sie das Gefühl, als wenn gerade die reine Essenz
der Männlichkeit den Raum erfüllte, um sie zu ersticken?
    Er kam
offensichtlich direkt vom Reiten. Die enge Reithose umschmiegte seine langen,
muskulösen Beine wie eine zweite Haut. Seine Stiefel waren gestern Abend
offensichtlich frisch geputzt worden und glänzten immer noch. Er trug eine gut
geschnittene, braune Reit Jacke über einem weißen Hemd. Sie hatte genug Jahre
in London verbracht, um in ihm einen wahrhaftigen Adligen zu erkennen, einen
Hundertprozentigen, wie andere Gentlemen ihn nennen würden. Sein dunkles Haar
war vom Ritt zerzaust und er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe.
    Außerdem
lächelte er und wirkte ärgerlicherweise gut gelaunt.
    »Guten
Morgen, Miss Thornhill.« Er deutete eine Verbeugung an. »Und was für ein
wunderschöner Morgen es ist! Ich wurde von einem jungen Hahn geweckt, der unter
meinem Fenster krähte, und bin daher frühzeitig ausgeritten, um den
Sonnenaufgang zu beobachten. Ich hatte vergessen, wie erfrischend das Landleben
sein kann.«
    Er rieb
sich die Hände und sah sich im Raum um, während ihm der Hunger ins Gesicht
geschrieben stand. Das Büfett war leer. Ebenso der Tisch, bis auf Violas
Teller, Tasse und Untertasse. Es waren keine Dienstboten anwesend. Er wirkte
schon etwas weniger heiter.
    »Guten
Morgen, Mylord.« Viola lächelte selbstgefällig. »Kaum zu fassen, dass ich eben
noch in dem Glauben auf Zehenspitzen an Ihrem Zimmer vorbeigeschlichen bin,
dass Sie in der Landluft lange schlafen würden. Es ist kalt hier drinnen, nicht
wahr? Ich werde das Feuer entfachen und Ihnen das Frühstück heraufbringen
lassen. Ich habe mir die Freiheit genommen, einfach auf Verdacht etwas für Sie
zu bestellen.« Sie erhob sich und zog an dem Klingelstrang neben dem Büfett.
    »Danke.«
Er nahm den Platz am Kopf des Tischs ein, den sie für ihn freigelassen hatte,
da sie den Morgen nicht mit unnötigem Gerangel um Vorrechte angefüllt wissen
wollte.
    Sie
hatte noch immer Eier und Wurst und Toast auf ihrem Teller - ein weitaus
üppigeres Frühstück als ihr üblicher Toast mit Kaffee. Sie nahm Messer und
Gabel auf und aß nun weiter, kaute jeden Bissen mit gemächlicher Wonne, obwohl
plötzlich alles wie Stroh schmeckte.
    »Der
Weg hinter dem Haus muss zum Spazierengehen ebenso herrlich sein wie zum Reiten«,
verkündete er. »Das Gras ist gut gepflegt und die Bäume auf beiden Seiten
stehen so gerade wie zwei Reihen Soldaten bei einer Parade. Ist es nicht wie
ein Wunder der Natur, dass sich darin ein Heer von Vögeln verbergen kann,
sodass man tausend Stimmen hört und doch nicht einen einzigen Chorsänger sieht,
bis einer von ihnen von einem Ast zu einem anderen fliegt?«
    »Ich
habe die Spaziergänge dort immer genossen«, sagte sie.
    »Von
der Hügelspitze aus kann man meilenweit sehen«, fuhr er fort. »Das hätte mir
als Junge gefallen. Es erinnert mich ein wenig an die Hügel in Acton Park, wo
ich aufgewachsen bin. Ich war der König des Schlosses und verteidigte es gegen
alle Ankömmlinge. Oder besser gesagt«, er grinste und Viola fühlte sich
widerwillig an den kühnen Fremden beim Fest erinnert, »war mein Bruder der
König und ich sein treuer Gefolgsmann. Aber Gefolgsleute haben das aufregendere
Leben, wissen Sie. Sie bekämpfen Drachen und allerlei Schurken, während der
König nur auf seinem Thron sitzt, gelangweilt und hochmütig wirkt, Befehle
erteilt und unflätig flucht.«
    »Du
liebe Güte! Hat Ihr Bruder das üblicherweise getan?« Sie musste beinahe lachen.
    »Ältere
Brüder können Scheusale sein.«
    Aber
Viola wollte nichts über seine Kindheit oder Familie hören. Sie wollte sein
jungenhaftes Grinsen nicht sehen. Sie wollte, dass er maßlos zornig war. Sie
wollte, dass er unflätig fluchte. Doch im Augenblick war er eher beängstigend.
Wusste er das? Verhielt er sich absichtlich so? Wie eine Katze, die mit einer
Maus spielt? Er trommelte jedoch mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte und
schaute zur Tür, sichere Zeichen dafür, dass er nicht so entspannt und

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