Dir darf ich nicht gehören
herab.
Mr.
Jarvey war aufgeblieben und nahm ihren Mantel und Lord Ferdinands Mantel und
Hut entgegen, als sie die Eingangshalle betraten. Er verschwand mit den
Kleidungsstücken.
»Kommen
Sie auf einen Schlummertrunk mit in die Bibliothek?«, fragte Lord Ferdinand.
Heute
Nacht könnte sie ihr Ziel wahrscheinlich erreichen, wenn sie es sich in den
Kopf setzte. Sie würden etwas zusammen trinken und sich noch etwas länger
unterhalten und dann würde er sie die Treppe hinaufbegleiten. Sie würde vor
seinem Zimmer innehalten und ihm dafür danken, dass er sie nach Hause begleitet
hatte. Sie würde sich zu ihm neigen, und er würde sie küssen, bevor er auch nur
die Chance hätte, die Gefahr zu erkennen. Innerhalb einer Stunde würde alles
vorbei sein. Morgen wäre er fort. Pinewood würde ihr gehören.
Sie
spürte die Wundheit unvergessener Tränen in ihrer Kehle und Brust und
schüttelte den Kopf.
»Ich
bin müde«, sagte sie. »Danke, dass Sie mich nach Hause begleitet haben. Gute
Nacht.«
Sie
beugte sich nicht zu ihm. Und sie reichte ihm auch nicht die Hand. Aber
dann lag ihre Hand doch in seiner, und er hob sie an die Lippen und betrachtete
sie darüber hinweg, während ein leichtes Lächeln seine Düsterkeit milderte.
»Danke
für den Tanz«, sagte er. »Aber ich werde Sie eher um des Maitanzes willen stets
in Erinnerung behalten.«
Sie
floh und hielt nicht einmal inne, um eine Kerze vom Tisch in der Eingangshalle
zu nehmen. Hatte sie das absichtlich getan? Ihn veranlasst, ihre Hand zu
küssen, sie so anzusehen und sanft darüber zu sprechen, dass er sich stets an
sie erinnern würde? Das hatte sie vorgehabt. Sie hatte gehofft, genau das zu
erreichen. Aber sie hatte es nicht wirklich getan, oder? Sie war einfach sie
selbst gewesen.
Oder
war sie die Viola Thornhill gewesen, die ihn ausreichend in Sicherheit wiegen
wollte, damit er nicht bemerkte, dass er seine Wette an Lilian Talbot verlor,
wenn er mit ihr ins Bett ging?
Sie
wusste nicht mehr, wer sie selbst und wer die Kurtisane war. Sie wusste nicht
mehr, ob sie diese Wette gewinnen wollte oder nicht. Sie fürchtete sich davor,
mit ihm im Bett zu sein, ihn in sich eindringen zu spüren und ihn zu einem so
anhaltenden und intensiven Vergnügen zu bringen, dass er sich danach niemals
betrogen fühlen würde. Sie fürchtete sich wirklich. Wie konnte sich Viola
Thornhill tief genug in der Person Lilian Talbots verbergen, um es geschehen zu
lassen?
Viola
Thornhill - die wahre Viola - wollte sich mit ihm in Liebe
verbinden. Das hatte sie noch nie erlebt und konnte es sich auch nicht wirklich
vorstellen. Die physische Vereinigung zwischen Mann und Frau war ein
widerwärtiger, erniedrigender Vorgang. Aber sie merkte, dass die Träume noch
nicht ganz erstorben waren. Und ihre Träume rankten sich auf eine Weise um
seine Person, die nichts mit irgendeiner Wette zu tun hatte.
Sie
sollte in die Bibliothek hinuntergehen, dachte Viola, und ihm verkünden, dass
ihre Wette ungültig war, dass sie Pinewood morgen verlassen würde. Aber sie
ging weiter, bis sie in ihrem Zimmer und die geschlossene Tür fest und sicher
zwischen ihr und der Versuchung war.
Kapitel 13
Während der
nächsten beiden Tage machte sich Viola mit der gewohnten Energie und heiterem
Lächeln an ihre tägliche Arbeit, aber ihr Geist und ihre Gefühle waren in
Aufruhr. Vielleicht, dachte sie manchmal, sollte sie irgendwo anders hingehen
als nach London und sich eine Anstellung suchen. Aber Hannah und ihre Familie
würden dann für sich selbst sorgen müssen. Warum musste sie alle Verantwortung
tragen? Doch der Gedanke daran, ihre Familie sich selbst zu überlassen,
bereitete ihr Schuldgefühle.
Sie
könnte Pinewood durch die Wette gewinnen und das Leben würde wieder normal
verlaufen. Aber sie konnte den Gedanken, Lord Ferdinand zu verführen, nicht
ertragen, denn der Gedanke verursachte ihr Übelkeit und erfüllte sie mit
Abscheu vor sich selbst. Lord Ferdinand war ein anständiger Mann.
Aber
sie wollte nicht nur aus finanziellen Gründen auf Pinewood bleiben. Es war ihr
Zuhause, ihr Erbe. Sie konnte es einfach nicht ertragen, Pinewood zu verlassen.
Am
dritten Morgen nach der Gesellschaft, als noch zwei Tage blieben, bevor sie
ihre Wette entweder gewinnen oder Pinewood verlassen müsste, wurden die Dinge nach
einem weiteren Brief von Claire noch weitaus schwieriger. Der Brief lag auf dem
Schreibtisch in der Bibliothek, als Viola von einem Morgenspaziergang am Fluss
zurückkehrte. Sie riss den
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