Dir darf ich nicht gehören
Wette
um jeden Preis zu gewinnen.
Sie
durfte bei ihm keine ihrer offensichtlicheren Verführungskünste anwenden. Diese
Künste würden einfach nicht funktionieren. Er würde ihnen widerstehen. Sie
würde bei ihm am besten vorankommen, hatte sie gleich am ersten Tag
beschlossen, wenn sie ihn davon überzeugte, dass sie überhaupt nicht vorankam.
Sie musste ihn mit der Illusion verwirren, sie sei Viola Thornhill und Lilian
Talbot tatsächlich tot und vergessen. Es wäre das Beste, ihn nur mit
gelegentlichen Ausblicken auf sie zu reizen, wo er doch davon ausgehen musste,
mit ihrer Gesellschaft und ihren vollkommen erblühten sexuellen Reizen
bombardiert zu werden.
Sie war
entschlossen, die Wette zu gewinnen. Ihr Entschluss wurde noch durch einen
Brief von Maria bestärkt, in dem sie erzählte, wie gut Ben die Schule gefiel,
wie bereitwillig er arbeiten und Anwalt werden wollte, wenn er erwachsen wäre,
und wie überaus nett es von Onkel Wesley war, dass er das Schulgeld bezahlte.
Sie
würde kein weiteres Geld schicken können. Die Einkünfte von Pinewood gehörten
jetzt Lord Ferdinand Dudley. Das wenige Geld, das Viola mit nach Pinewood
gebracht hatte, war in das Anwesen und zu ihrer Familie geflossen. Was das
Anwesen in zwei Jahren eingebracht hatte, war in weitere Verbesserungen
gesteckt worden - und in ihre Familie. Onkel Wesley würde natürlich
weiter für sie sorgen. Sie würden nicht verarmen. Aber Ben würde die Schule
verlassen müssen, und es wäre nur noch sehr wenig Geld für die kleinen Extras
da, die das Leben so sehr erleichterten.
Viola würde
kein Geld mehr schicken können, wenn sie die Wette nicht gewann. Sie war
entschlossen, die Wette zu gewinnen.
Am
Abend der Gesellschaft speiste sie in Crossings. Mr. Claypole nahm sie
beiseite, bevor sie zum Dorf aufbrachen, und hielt erneut um ihre Hand an.
Einen Moment war sie stärker versucht, den Antrag anzunehmen, als jemals zuvor.
Aber nur einen Moment. Thomas Claypole zu heiraten, würde ihre Probleme nicht
wirklich lösen. Sie würde als seine Ehefrau bequem und sicher leben, aber sie
könnte nicht erwarten, dass er Bens Schulgeld bezahlte oder dabei half, ihre
Familie zu unterstützen. Außerdem wusste er nicht die Wahrheit über sie und sie
wollte ihn nicht täuschen.
Sie
lehnte sein Angebot ab.
Bald
saß sie auf dem Weg zu der Gesellschaft mit den Claypoles in der Kutsche. Lord
Ferdinand Dudley würde dort sein, überlegte sie. Sie würde ihn einige Stunden
lang sehen.
Sie
wünschte - oh, sie wünschte sich so sehnlichst, sie wäre nicht gezwungen
gewesen, diese Wette mit ihm einzugehen. Aber es gab keine andere Möglichkeit.
Die
Dorfgesellschaften waren stets fröhliche Anlässe. Es wurden im Kreis oder in
Reihen ländliche Tänze aufgeführt, einige langsam und würdevoll, andere schnell
und kraftvoll, aber alle nach genauen, komplizierten Mustern, die jedermann aus
langer Übung kannte.
Ferdinand
nahm an jedem Tanz teil. Ebenso Viola Thornhill. Er sprach und lachte zwischen
den Tänzen mit seinen Nachbarn. Sie ebenso. Er aß in Gesellschaft einer Gruppe
Menschen, die ihn aufgefordert hatten, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Sie
ebenso.
Sie
sahen einander kaum an. Und doch nahm er fast nur sie wahr. Sie wechselten kein
Wort. Und doch hörte er ihre leise, musikalische Stimme und ihr Lachen, auch
wenn der ganze Raum sie trennte. Sie saßen nicht am selben Tisch, und doch
wusste er, dass sie nur eine Hälfte eines mit Butter bestrichenen Teegebäcks aß
und nur eine Tasse Tee trank. Er forderte sie nicht zum Tanz auf, und doch
bemerkte er die ungezwungene Anmut, in der sie die Schritte ausführte, und
stellte sie sich mit einem Band des Maibaums in der Hand vor.
Nächste
Woche um diese Zeit wäre sie fort. Wenn wieder eine Gesellschaft stattfände,
würde er seine ganze Aufmerksamkeit den hübschen Mädchen widmen können, mit
denen er getanzt hatte. Er hasste diese ständige Bewusstheit, diese ständige
Wachsamkeit in Erwartung des Zuges, den sie gewiss bald ausführen musste, wenn
sie überhaupt eine Chance haben wollte, ihre Wette vor Ablauf der Zeit zu
gewinnen. Er wünschte sich inbrünstig, sie hätte ihn bereits am allerersten Tag
mit all ihren Tricks bestürmt. Zu dem Zeitpunkt war sein Ärger groß genug
gewesen, um ihr mühelos zu widerstehen.
Er
sprach gerade mit Reverend Prewitt und Miss Faith Merrywether, als Viola seinen
Arm berührte. Er schaute hinab und war einigermaßen überrascht zu erkennen,
dass ihre Finger kein Loch
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