Dir ergeben - Band 2 Roman
junger Mann in einem lila Sportsakko, der ganz in der Nähe steht, macht einen Schritt auf mich zu, um mir zu helfen. Doch ich wende mich ab, zerre hektisch an dem Fädchen, weil ich zu nervös bin, um es in Ruhe wieder abzuwickeln. Stattdessen reiße ich daran, während mein Herz klopft wie verrückt, und als es sich endlich von meinem Finger löst und zu Boden fällt, lasse ich es dort liegen und trete zurück, als wäre es ein giftiger Skorpion.
Ich quetsche mich an dem jungen Mann im lila Sakko vorbei und lehne mich an die Natursteineinfassung des Kamins. Die Steine bohren sich unangenehm in meine nackten Schultern, aber das ist mir egal. Ich muss mich irgendwo festhalten. Und bis ich Damien finde, muss es eben die Wand tun.
»Alles in Ordnung?«, fragt der Mann im lila Sakko.
»Ja«, sage ich, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Der Typ steht immer noch neben mir, aber ich nehme ihn kaum wahr. Stattdessen suchen meine Augen nach Damien, und als ich ihn endlich entdecke, bin ich so erleichtert, dass ich hinter mich greifen und an den Steinen Halt suchen muss. Er steht etwas abseits, unweit des Flurs, der zum Schlafzimmer führt. Bis auf Charles Maynard, seinen Anwalt, der eine besorgte Miene aufgesetzt hat, scheint niemand bei ihm zu sein. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen, da er mir den Rücken zugewandt hat. Eine Hand hat er in die Hosentasche gesteckt, in der anderen hält er ein Glas Wein. An und für sich eine lässige Haltung, aber ich sehe, wie verspannt seine Schultern sind, und frage mich, ob er auch so an mich denkt wie ich an ihn.
Damien.
So als könnte er Gedanken lesen, dreht er sich um und erspäht mich sofort. Sein Gesicht spricht Bände: Besorgnis, Leidenschaft, Sehnsucht zeichnen sich darin ab. Vermutlich muss er sich schwer beherrschen, um mir den nötigen Freiraum zu lassen. Aber ich will nicht länger auf Distanz gehen und mache einen Schritt auf ihn zu.
Währenddessen sehe ich, wie Maynard Damien an der Schulter packt, und höre seine Stimme, die plötzlich vor lauter Frust laut wird. »… hören mir einfach nicht zu. Das ist immerhin Deutschland, und wir …«
Damien dreht sich wieder zu seinem Anwalt um, und ich bleibe abrupt stehen, so als wäre das magische Band zwischen uns zerrissen. Ich überlege weiterzugehen, entscheide mich aber dagegen. Schließlich bin ich sauer auf ihn. Wieso kann ich es dann kaum erwarten, bei ihm zu sein?
Ich werfe einen flüchtigen Blick auf meinen Zeigefinger. Die Druckstellen des Fadens sind nach wie vor sichtbar, und die Fingerkuppe ist immer noch leicht violett. Der Schmerz hat ein Bedürfnis befriedigt: Er hat mich geerdet und meine Wut, meine Angst und meine Scham besänftigt. Er hat mir Kraft und Konzentration geschenkt – und wieder einmal frage ich mich, ob Damien mir genau dasselbe schenkt. Ist er nur eine andere Form von Schmerz?
Bei dem Gedanken bekomme ich Gänsehaut und möchte ihn am liebsten verdrängen.
Eine Kellnerin läuft an mir vorbei, und ich winke ihr. Ich brauche jetzt dringend was zu trinken.
Ich habe das Glas auf einen Zug ausgetrunken und mir noch eines genommen, als Jamie auf mich zukommt. »Die beiden sind so was von witzig! Außerdem haben sie mir verraten, was in der nächsten Folge passiert.« Sie packt mich am Ellbogen. »Wenn du vergisst, mich daran zu erinnern, den DVD -Recorder zu programmieren, werde ich dir das niemals verzeihen!«
»Verstehe«, sage ich.
»Du machst doch Fotos, oder? Ich möchte sie auf Facebook posten. Oh, entschuldige«, sagt sie gleich darauf. »Du bist auf diese Social-Media-Geschichten gerade wohl nicht so gut zu sprechen.«
Das stimmt. Ich habe sie auch vorher ohnehin kaum genutzt, aber als die Gerüchte über Damien und mich die Runde machten, habe ich sofort sämtliche Social-Media-Apps auf meinem Handy gelöscht und mich bemüht, mich von allem, was nach Boulevard riecht, fernzuhalten. Und was die Fotos anbelangt, die die Paparazzi von mir und Damien schießen, verlasse ich mich ganz auf Jamie: Sie mailt sie mir oder schneidet sie für mich aus – und zwar ohne die dazugehörigen Schlagzeilen.
»Nicht so schlimm«, sage ich. »Und ja, ich hab ein paar Bilder gemacht« – obwohl es nur sehr wenige sind. Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Alles in Ordnung?«
Fast hätte ich ihr strahlend versichert, dass selbstverständlich alles in Ordnung ist. Warum auch nicht? Aber ich habe es mit Jamie zu tun, und selbst wenn ich könnte, möchte ich sie nicht anlügen.
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