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Dirigent

Dirigent

Titel: Dirigent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Quigley
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mit den gebildeteren, eleganteren Leningradern zusammenzutreffen.An diesem Abend blieb er nur stehen, um sein neues Selbstbewusstsein auszukosten. Beide Füße fest auf dem roten Teppich, blickte er sich mit geschwellter Brust um.
    »Guten Abend, mein Herr.« Auch der Restaurantbesitzer inspizierte den Saal, wenn auch mit professionellem Blick. »Willkommen. Wir haben Sie schon lange nicht mehr bei uns begrüßen dürfen.«
    Noch vor kurzem hätte Elias den imposanten Schnurrbart und die gewisse Ungeduld des Mannes einschüchternd gefunden. »Es ist gut, wieder einmal hier zu sein«, antwortete er. In Wahrheit hatte er sich noch nie über die Schwelle dieses Etablissements getraut. Wie oft war er an den Türen mit der goldenen Klinke vorbeigegangen und hatte sich danach gesehnt, den karmesinroten Vorhang beiseitezufegen wie einer jener selbstsicheren Männer in weißen Hemden mit schönen Frauen am Arm!
    »Champagner?« Der Restaurantbesitzer winkte einem Kellner.
    »Ich bin nicht –«, begann Elias, doch schon hielt er ein gekühltes Glas in der Hand. »Na schön.« Eigentlich misstraute er Champagner, wegen seiner unmittelbaren aufputschenden Wirkung ebenso wie wegen der fast nahtlos anschließenden Nachwirkungen (dröhnende Kopfschmerzen und böses Stechen im Magen). Doch an diesem Abend war alles anders.
    »Ihre Freunde sind auf der anderen Seite des Saals.« Der Restaurantbesitzer machte eine diskrete Kopfbewegung.
    »Danke.« Ein wenig verwirrt blickte Elias über das Gedränge hinweg, um festzustellen, wer seine Freunde wohl waren. Dort, auf dem mit Teppich ausgelegten Podium, stand ein Flügel, und wie ein unheiliges Triumvirat hatten sie sich um ihn geschart: Sollertinski, Mrawinski und Dmitri Schostakowitsch.
    Er hatte plötzlich das unnötige Bedürfnis, ehrlich zusein. »Genauer gesagt, sind es gar nicht –« Doch der Restaurantbesitzer schoss bereits davon, um einen Kellner zurechtzuweisen, und Elias holte tief Luft und ging die Stufen in den Saal hinunter. Er nahm noch einen großen Schluck Champagner, um sich Mut anzutrinken, und positionierte sich dann neben einem mit Speisen beladenen Tisch. Von hier aus konnte er zwischen den schwarz bejackten Rücken und den in Seide gehüllten Schultern eben noch Sollertinskis Löwenkopf ausmachen. Und Mrawinskis kühles Lächeln – und Schostakowitschs Gesicht, anscheinend höchst vergnügt, hinter funkelnden Brillengläsern.
    Ihre Freunde . Hatte der Restaurantbesitzer das nicht gesagt? Ihre Freunde sind dort drüben . Wie würden sie reagieren, wenn er auf das Podium stiege, ihnen die Hände schüttelte und sich neben ihnen an den Flügel lehnte? Nein . Er umklammerte sein Glas. Er konnte es nicht.
    »Herr Eliasberg, nicht wahr?« Plötzlich war sie da, keine zwei Schritte von ihm entfernt, ihre Augen so groß und dunkel, wie er sie in Erinnerung hatte, ihr Hals genauso schlank. Die Rundung ihrer Brüste (manchmal, wenn er im Bett lag, hatte er sich mit der Vorstellung davon selbst verhöhnt) bildete einen reizvollen Kontrast zu ihrem schmalen Brustkorb.
    Ganz vorsichtig stellte er sein Glas ab und streckte die Hand aus.
    »Erinnern Sie sich an mich?« Nina Bronnikowa lächelte. »Wir sind uns im Juni auf dem Heumarkt begegnet. Ich glaube, das war an dem Tag, bevor der Alptraum dieses Krieges offiziell anfing.«
    »O-ob ich mich an Sie erinnere? Wie kö-könnte ich mich nicht an Sie erinnern?«
    »Oh, vielen Dank!« Sie errötete leicht. »Als Tänzerin des Kirow-Balletts muss man häufig auf Komplimente reagieren, das ist Teil der Arbeit und nicht immer der angenehmste. Aber was Sie eben gesagt haben – also etwasähnlich von Herzen Kommendes habe ich noch nie gehört.«
    »Es tut mir leid, wenn ich zu unverblümt war. Meine Mutter sagt immer, ich müsse mich dringend im Komplimentemachen üben. Eine Silberzunge, wie es in Märchenbüchern heißt, hatte ich nie.«
    »Hinter Silberzungen können sich stumpfe Herzen verbergen«, sagte Nina Bronnikowa.
    Das war ihm schon auf dem Fischmarkt aufgefallen: die unprätentiöse Schlichtheit, mit der sie ihre Meinungen kundtat. Ihre Augen waren fast mandelförmig, zur Schläfe hin leicht nach oben gebogen ... aber er durfte sie nicht so anstarren. Er musste etwas sagen. Warum war er nicht mehr wie andere Männer – wie Schostakowitsch zum Beispiel? Die Frauen schienen dem Komponisten an den Lippen zu hängen, wohingegen er –
    Sag doch was! , versuchte er das Gebrabbel in seinem Kopf zu übertönen.

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