Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
jungen Dirne.
»Mon dieu!«, rief sie dabei theatralisch aus. »Wo, um alles in der Welt, hast du nur gesteckt? Weißt du, in diesen unsicheren Zeiten macht man sich Sorgen um jedes Mädchen, das längere Zeit nicht hier aufkreuzt.«
Lilly entschuldigte sich mit einigen belanglosen Worten.
»Dort drüben ist noch ein Tischchen frei«, sagte Madame Yvette. »Was wollt ihr trinken, ihr beiden Lieben?«
»Marcel ist pleite!« Lilly zwinkerte mit einem Auge.
»Bon«, sagte die dicke Lokalbesitzerin resolut, »dann ist er von mir eingeladen. Aber du, Lilly, du wirst bezahlen. Man sagt, dass du sehr gut verdienst.«
»Es geht.« Lilly wiegte den Kopf und sah sich um. Einige der Dirnen waren ihr bekannt. Es gab flüchtige Begrüßungen und oft ein paar hingeheuchelte Freundlichkeiten, denn nicht selten war eine der anderen aus Futterneid nicht ganz grün. In dieser Gegend gab es für Lillys Begriffe eigentlich zu viele Dirnen, und sie hatte schon öfter daran gedacht, wieder drüben in das Viertel Montparnasse zu wechseln, denn der Traum von einem schicken Appartement auf einer der eleganten Avenuen in der Nähe des Arc de Triomphe war für Lilly Laforet in weiteste Ferne gerückt ...
»So, meine Freunde!«, hörte man nun wieder die Donnerstimme der Madame Yvette. »Champagner zur Feier des Tages.«
»Wieso Feier des Tages? Was gibt es zu feiern?«
»Ich habe gedacht, ein wenig voraus feiern zu können«, meinte Mama Yvette und klimperte dabei mit ihren schweren, dunklen Wimpern.
»Ich verstehe nicht«, murmelte Lilly.
»Lass es dir erklären«, sagte Yvette und legte ihre beringte Hand auf Lillys Arm. Fast flehend wurde das Mädchen nun mit den grün schimmernden Augen angeblickt. »Seit diese schrecklichen Geschichten passiert sind«, begann Yvette nun schwer atmend zu berichten, »sind mir vier Mädchen weggelaufen. Vier Zimmer oben stehen leer. Ich habe mir gedacht, Lilly, dass du vielleicht ...«
»Oh nein!«, rief Lilly rasch. »Ich arbeite nicht mehr in einem öffentlichen Haus.«
»Ich bin doch aber kein öffentliches Haus«, sagte Yvette, wobei sich das Flehen in ihrer Stimme noch mehr verstärkte. »Aber ich muss doch leben. Das Lokal bleibt mir sonst leer, wenn ich keine Mädchen habe. Ich bin kein öffentliches Haus.«
»Sie ist ein heimlicher Puff«, sagte Marcel schmunzelnd, lehnte sich zurück und nippte an seinem Champagner.
»Sei du still, Marcel!«, fauchte Yvette nun wie eine Katze. Wild begannen ihre vorher noch so sanften Augen zu funkeln. »Wenn du mir so in den Rücken fällst, bekommst du keinen Franc mehr von mir. Das wird dir dann leidtun.«
»Pardon«, sagte Marcel und neigte sich wieder ein wenig nach vorn. »Ich wollte ja nichts gesagt haben. Lilly wohnt bei mir.«
»O lala!« rief die dicke Französin. »So etwas wie l' amour?«
»Nein, keine Liebe«, korrigierte Marcel etwas bissig und warf einen Seitenblick auf Lilly. »Eine Notsituation und nicht mehr.«
»Schau mal, Lilly-Kind! Hier in meinem Haus wärst du in absoluter Sicherheit. Es kommt mir kein Mann über die Schwelle, den ich nicht genau kenne. Dafür verbürge ich mich.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Lilly.
»Bei mir ist alles ganz anders, als bei der vertrottelten Concierge im Haus Nummer elf, Rue de Piedre.«
»Madame Richard ist nicht vertrottelt!“
»Wie kommt es dann, dass es ein Kerl schafft, gleich zwei Mädchen in diesem Haus abzumurksen? Die Richard muss doch gepennt haben.«
Lilly zuckte die Schultern.
»Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Normalerweise ...«
»Es ist ein alter Hut, dass die Concierge mit ihrem Gestrick im Schoß jedes Mal einschläft und nicht sieht, wer ins Haus kommt oder wer wieder geht. Ich möchte nur wissen, wofür man dieses alte Rabenaas bezahlt.«
»Madame Richard ist sehr lieb. Sie hat vielen von uns das Frühstück ans Bett gebracht.«
»Das kannst du von mir auch haben, mon coeur«, säuselte Yvette. »Außerdem ist das Zimmer spottbillig. Es ist geschenkt. Willst du es dir nicht wenigstens angucken?«
»Lass mir Zeit«, bat Lilly nun.
»Mensch, das ist gefährlich«, zischte Marcel später.
»Kaum gefährlicher als anderswo«, sagte Lilly. »Hier müsste ich nicht auf die Straße gehen, verstehst du? Ich könnte meine Kunden bereits im Lokal gewinnen und sie dann problemlos mit nach oben nehmen. Fremde kommen nicht ins Haus. Es hat hier nie Unregelmäßigkeiten gegeben. Weißt du, dein Angebot in allen Ehren, Marcel. Aber das Wahre ist es wohl auch
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