Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Lilly«, sagte Marcel dazu, »es gibt die sonderbarsten Zufälle im Leben. Ich finde es gut, dass du zunächst zu mir gekommen bist.«
»Ich muss arbeiten«, sagte Lilly, nun eindringlich. »Wovon sollte ich sonst leben? Du könntest mich nicht ernähren. Du kommst ja kaum selbst über die Runden.«
»Das ist richtig«, bestätigte der junge, bisher so erfolglose Maler. »Mein Vorschlag, dass du zum Arbeiten in eine Pension gehen solltest, der war doch eigentlich recht dumm, Lilly.«
»Heißt das, dass ich in der Wohnung arbeiten kann?«, erkundigte sie sich atemlos bei ihm.
Sie sah, wie Marcel gequält die Augen schloss. Obwohl er nicht mit Lillys Beruf einverstanden war, erkannte das Mädchen nun, dass sich Marcel den Gegebenheiten anzupassen versuchte.
»Ja«, sagte er endlich. »Du kannst in der Wohnung arbeiten. Wenn immer möglich, so werde ich in deiner Nähe sein. Man weiß ja nie, welcher Kunde kommt.«
Das Wort 'Kunde' hatte Marcel direkt etwas verächtlich gesagt.
Plötzlich musste Lilly trotz allem kichern. Marcel Lelouche blickte das Mädchen entgeistert an.
»Worüber lachst du, Lilly?«, fragt e er. »Ich finde nicht, dass es Zeit ist, solche Witze zu machen.«
»Ich denke nur über etwas nach«, meinte sie daraufhin noch immer belustigt. »Wenn ich in deiner Wohnung arbeite, dich miternähre und du auf mich aufpasst, weißt du, was du dann bist?«
»Wieso?«
»Dann bist du ja so etwas wie mein Zuhälter«, meinte sie.
»Lass den Blödsinn«, knurrte Marcel. »Du weißt genau, dass ich damit nichts am Hut habe. Wenn ich es tue, dann tue ich es allein dir zuliebe, Lilly. Ich will nicht, dass dir etwas passiert, denn ich ...«
»Ja?«, fragte sie erwartungsvoll und sah ihn an.
Doch da winkte der junge Mann ab.
»Lassen wir das«, sagte er. »Es führt ja doch zu nichts.«
»Wie du meinst«, sagte Lilly und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Es wird Zeit, dass ich wieder etwas tue«, meinte sie. »Immerhin geht das Leben weiter.«
In der Nähe vom Place de Fleur trennten sie sich. Marcel versprach, in der Wohnung auf Lilly zu warten, sobald sie sich mit einem Kunden verabredet hatte.
An diesem Tag war in dieser Gegend nicht besonders viel los. Viele Dirnen waren vor Angst wie gelähmt und wagten sich nicht auf die Straße.
So kam es, dass Lilly einer ältlichen Dirne namens Josefine begegnete. Josefine verkehrte gewöhnlich nur in einfachen, billigen Spelunken und ließ sich auf der Straße so gut wie nie sehen.
Nun leuchtete ihr grell geschminktes Gesicht von einer abgeblätterten Hausmauer herüber.
»Na, Lilly?«, erkundigte sich Josefine ein wenig anzüglich. »Hast du keine Angst, jetzt auf Anschaffe zu gehen?«
»Wieso?«, fragte Lilly zurück. »Es ist helllichter Tag. Wovor sollte ich mich fürchten?«
»Nun, ich meine, dieser Kerl hat es ja auf junge, hübsche Mädchen abgesehen. Ich denke, mir droht keine Gefahr. Und jetzt, wo die Jungen alle in ihren Löchern geblieben sind, da habe ich auch mal eine Chance.«
»Betrachtest du mich vielleicht als Konkurrenz?«, erkundigte sich Lilly grinsend.
»Nein, das nicht gerade. Aber es war heute dreimal einer da, der nach dir gefragt hat.«
»So?«, stieß Lilly hastig hervor. »Wie sah er denn aus?«
»Durchschnittlich«, sagte Josefine.
»Und kennst du ihn?«
»Nie vorher gesehen«, sagte Josefine. »Er war vor einer halben Stunde das letzte Mal hier. Er hat versprochen, wiederzukommen. Vielleicht ist er nur einer deiner Stammfreier. Vielleicht aber ist er auch - der Mörder.«
»Spinn dir nichts zusammen, Josefine«, sagte Lilly. »Wenn man immer so übervorsichtig sein wollte, dann würde man nicht mehr das Salz in der Suppe verdienen. Nein, nein, ich glaube, jetzt am Tag droht keiner von uns eine ernstliche Gefahr. Bisher ist das alles nachts geschehen.«
Die ältliche Dirne zuckte die Schultern.
»Es wird eine Frage der Zeit sein, bis der Kerl auch am helllichten Tage zuschlägt. Du, dort drüben kommt der Galan, der nach dir gefragt hat.«
Lilly hob erschrocken den Kopf. Als sie dann jedoch den Mann erblickte, lief ein Seufzer der Erleichterung über ihre Lippen. Denn der Mann, der nun langsam herüberschlenderte, hatte nichts mit dem mutmaßlichen Täter gemein.
»Hallo«, sagte er, »bist du Lilly?«
»Ja, ich bin Lilly«, sagte das Mädchen. »Woher kennen wir uns?«
»Wir kennen uns nicht«, sagte der Mann. Er war groß, kräftig und muskulös. Er hatte kleine schwarze Augen, die irgendwie stechend
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