Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Lockenperücke. Ihr Gesicht war hohlwangig und überschminkt.
Aber Jeanette musste so ihre besonderen Spezialitäten haben, denn der Zulauf der Freier war ganz beachtlich.
Allabendlich kam Jeanette in einem lilafarbenen Kimono von oben herunter. Das Gewand war mit einem Pfauenmuster bestickt und verlieh Jeanette etwas Erhabenes und Geheimnisvolles. Obwohl nun Jeanette nicht mehr die Jüngste war, erwies sie sich als so etwas wie ein heimliches Zugpferd im Etablissement 'La voile rouge'.
Es war ein Montagabend und nicht besonders viel los. Madame Yvette tröstete darüber hinweg, dass die Männer wohl erst später kommen würden. Und tatsächlich war es dann auch so. Wie gewöhnlich begann sich gegen elf das Lokal zu füllen.
Lilly hatte an diesem Abend bereits zwei Freier gehabt. Der, der jetzt auf sie zukam, war ein kleiner, rundlicher Gemüsehändler, der Lilly schon öfter besucht hatte.
Auf dem Zimmer jammerte er unentwegt als Entschuldigung, dass er eine kranke Frau zu Hause habe und nun schließlich ein Mann sei.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte Lilly zärtlich gurrend wie eine Taube. Sie mochte diesen Mann nicht sonderlich. Aber er bezahlte gut, und dafür bediente sie ihn nach allen Regeln der Kunst.
Er war tapsig, rücksichtsvoll und doch beinahe zärtlich. Bei ihm vermochte Lilly den Hunger nach Liebe besonders deutlich zu spüren. Aber trotzdem war sie jedes Mal froh, wenn es wieder vorbei war. Er duschte sich regelmäßig bei ihr, wenn er kam. Das hatte er schon früher getan.
Wenn er dann, kurz vor dem Anziehen, in seiner weiten, schlabbrigen Unterhose vor Lilly stand, konnte sie nur mühsam ein Lachen unterdrücken. Der gequälte Ausdruck in seinem Gesicht hielt sie letztlich davon ab.
Wusste sie doch, dass sie für jede Extraumarmung und jedes Extraküsschen auch ein Extrageld bekam.
Als Lilly den Gemüsehändler nach unten brachte, erstarrte sie.
Dort drüben, in einer schummrigen Ecke, saß Jeanette Doubier mit diesem ominösen Fremden. In Lilly erstarrte alles wie zu Eis. Im diffusen Licht vermochte Lilly allerdings nicht genau zu erkennen, ob es sich bei diesem Fremden um den gleichen Mann handelte, der ihr bereits zweimal begegnet war und für den sich Kommissar Palon so sehr interessierte.
Der Mann plauderte sehr angeregt mit Jeanette. Diese bog den Kopf immer wieder zurück und ließ ein verhaltenes, klirrendes Lachen hören.
Da schob sich Lilly langsam auf Yvette zu, die mit Gläsern hinter der Theke hantierte.
»Du, Yvette, ich muss dich etwas fragen!«
»Frage, mon coeur!« Sie schien heute keinen besonders guten Tag zu haben, denn sie war ziemlich kurz angebunden.
»Siehst du diesen Mann dort drüben?«
»Ich sehe viele Männer!«
»Ich meine den Mann, der mit Jeanette in der Nische sitzt.«
»Ach, den meinst du. Was ist mit ihm?«
»Kennst du ihn?«
»Ich kenne alle meine Gäste und kenne doch keinen. Seit wann interessierst du dich für Jeanettes Freier? Du hast doch wohl selbst genug, oder nicht?«
Lilly schluckte. Sie war sich nun sehr im Zweifel, ob sie Yvette ihre Beobachtungen mitteilen sollte. Sollte sie Yvette darüber informieren, welche Befürchtungen sie hegte?
»Ist noch etwas? Wenn nicht, dann geh an die Arbeit. Siehst du den Kerl, der dort drüben sitzt? Er sitzt schon die ganze Zeit allein. Mach dich ran, du bist nicht umsonst hier.«
»Du bist heute wieder außergewöhnlich charmant.« Lilly schlängelte sich davon.
Der Mann, an den sich Lilly nun 'heranmachte', war noch nicht alt. Er wirkte fahrig und nervös, und Lilly schaffte es ganz einfach nicht, ein richtiges Gespräch mit ihm in Gang zu bringen.
Dann plötzlich mitten in dieser mühsamen Unterhaltung sah Lilly, wie der Fremde sich aus einer Ecke erhob. Er trug einen Anzug, der von einem allerersten Schneider zu stam men schien. Nun ging der Unbekann te auf Madame Yvette zu.
Lilly sah, wie Yvette den Mann sehr freundschaftlich begrüßte. Aus dem Gebaren ging hervor, dass Yvette den Fremden kennen musste. Eine ganze Weile plauderten sie zusammen an der Theke, wobei Madame Yvette des öfteren ihre beringte Hand auf die Schulter des Mannes legte und auf ihn einredete.
Schließlich nahmen die beiden miteinander noch einen Drink, woraufhin der Elegantgekleidete an Jeanettes Tisch zurückkehrte.
Wenn Yvette diesen Mann - wie es schien - so gut kannte, dann war es fast auszuschließen, dass er der Dirnenmörder von Paris war, denn Lilly konnte und wollte nicht daran glauben,
Weitere Kostenlose Bücher