Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Visier?«
»Ja.«
»Beide sind tot. Ihr Fall ist abgeschlossen.«
Sie starrten einander an. Sie begann zu zittern. »Werden Sie mich erschießen?«
»Vielleicht.«
Er deutete mit dem Kinn auf den Nachttisch, deutete auf die kleine Nikon, die dort zwischen einem Glas Wasser, Papiertüchern und einem dicken Taschenbuch lag. »Die Kamera, wenn ich bitten darf.«
Mit einer Mischung aus Scham und Empörung reichte sie ihm die Nikon.
»Es ist nicht das, was Sie denken«, sagte Le Page. Er gab ihr einen Schatzschein der Bank of England, einzulösen gegen hunderttausend Pfund Sterling, dazu die Zeitung, aufgeklappt, damit die Titelseite zu sehen war. »Das halten Sie unter Ihr Kinn«, sagte er.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Verächtlich verzog sie die Mundwinkel. »Arschloch.«
»Sie sind am Leben, Sie sollten dankbar sein«, sagte er.
Er machte mehrere Aufnahmen. »Sie werden jetzt den Vorgang über mich und die Brüder Furneaux zu den Akten legen.«
»Ja.«
»Tun Sie das nicht und wird mir hierzulande oder in Europa unwillkommene Aufmerksamkeit zuteil, werde ich Ihre Vorgesetzten informieren.«
»Verstehe«, sagte sie.
»Ich bin hier fertig, aber sollte ich eines Tages zurückkommen und mich Schwierigkeiten gegenübersehen ... «
»Verstehe.«
»Der Mann, den Sie festgenommen haben ... «
»Oberin.«
»Hat er Namen genannt?«
»Einen. Wyatt.«
»Gut.«
Le Page lächelte Rigby an und blätterte in einer der Dokumententaschen. »Ah ja. Perfekt.«
Er reichte ihr einen Schatzschein im Wert von fünfundzwanzigtausend Pfund. Sie nahm ihn angespannt entgegen, hielt es für ein Manöver. Doch es war nicht an dem. Le Page sagte: »Gehen Sie umsichtig damit um«, und verschwand, ließ sie dort sitzen und bescherte ihr das Problem, ein Versteck für ihr unerwartetes Präsent zu finden.
Le Page fuhr zurück zum Sofitel. Er war fertig mit diesem verdammten Land. Jetzt Henris Kunden zu kontaktieren wäre zu riskant — Zeit, nach Hause zu fliegen.
Sein Flug ging erst um zehn Uhr am Samstagvormittag, Paris via Hongkong und Frankfurt. Er benutzte das Telefon in der Lobby, um für den kommenden Tag einen Flug heraus aus dieser Ecke Australiens zu buchen, den Mittagsflug nach Auckland. Danach würde er improvisieren, vielleicht eine Pauschalreise auf die Fidschi-Inseln, aber den Nausori International nicht verlassen, stattdessen den nächsten Flug nach Singapur nehmen, von dort nach London fliegen, schließlich nach Toulouse und für jede Etappe eine andere Identität benutzen.
Er ging auf sein Zimmer, packte seine Tasche und machte anschließend klar Schiff. Kein Fetzen Papier, keine Haare in Handwaschbecken und Wanne, keine Fingerabdrücke. Das Zimmermädchen würde morgen anrücken und den Rest erledigen, alles wegschrubben, was er übersehen hatte, und eine Legion neuer Spuren hinterlassen. Er benutzte nie das Telefon im Zimmer. Kreditkarte und Pass waren auf einen falschen Namen ausgestellt, eine weitere Sackgasse für die Polizei.
Schließlich ging Le Page zur Rezeption, bezahlte die Rechnung und holte seinen Wagen. Er fuhr die Nacht durch, das Autoradio auf einen Nachrichtensender eingestellt. Die Polizei hatte Oberins Namen bekannt gegeben, mehr aber nicht. Um acht Uhr dreißig war Le Page in Adelaide, nahm sich ein Zimmer im Hilton, gönnte sich einen Kurzschlaf, duschte und frühstückte. Um elf war er am Flughafen.
34
Freitagmorgen, acht Uhr fünfundfünfzig. Wyatt, einen Aktenkoffer in der Hand und bekleidet mit einem dunklen Anzug, weißem Hemd und dunkler Krawatte, stand vor dem Amtsgericht von Outer Eastern. Überzeugt, dass selbst eine Frau, eine Nonne oder ein Kind fähig wären, ihn zu töten, taxierte er jeden. Vor dem Gebäude standen einige Frauen — Anwältinnen, Opfer, Mütter und Ehefrauen von Angeklagten oder Opfern —, aber keine Nonnen und Kinder. Die Polizisten in Uniform interessierten ihn nicht, dass sie eine Waffe trugen, war klar. Er richtete sein Augenmerk auf jede nicht uniformierte Person — eine Frau in Blazer und langen Hosen, zwei Männer in locker sitzenden Anzügen. Es waren mit .38er Revolvern bewaffnete Detectives, und Wyatt hätte sie allemal als Detectives identifiziert, auch wenn sich das Gerichtsgebäude nicht neben einem Polizeirevier befunden hätte. Vielleicht warteten sie darauf, ihre Aussage machen zu können, oder hatten einen Zeugen zu bewachen. Sie rechneten nicht mit Ärger, standen herum, plauderten und rauchten.
Schließlich betrat Wyatt das
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