Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dirty

Dirty

Titel: Dirty Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
Vom Netzwerk:
musste ich diese Entzündung in mir selbst heilen und wenn es sein musste, sie herausschneiden. Den Schorf abkratzen, Luft an die Wunde lassen.
    „Wir sehen uns später im Büro.“
    Sie nickte. „Gut.“
    Ich hätte einiges sagen können, um es besser zu machen, brachte es aber nicht über mich. Ich war talentierter darin, zu zerstören, als aufzubauen. Ich ließ sie in dem Café zurück, und etwas später sah ich, wie sie sich im Kopierraum mit Lisa Lewis kichernd über ihren Verlobungsring beugte. Als ich hereinkam, blickten beide auf, und Marcy lächelte mich an, als ob wir uns nur flüchtig kennen würden.

19. KAPITEL
    Marcy irrte sich. Ich war keine Märtyrerin. Ich wollte meinen Schmerz nicht zur Schau stellen, Mitleid erregen, mir jammernd gegen die Brust schlagen. Das ist die Art meiner Mutter, nicht meine.
    Ich sprach nur deswegen mit niemandem darüber, was in meinem Leben zwischen fünfzehn und achtzehn geschehen war, weil ich nicht wollte, dass mir wegen meiner Vergangenheit Zugeständnisse gemacht wurden. Immerzu passieren schlimme Dinge. Schlimmere als die, die ich erlebt hatte. Alles in meiner Vergangenheit war ein Teil meines ganz persönlichen Puzzles, ohne das ich nicht die Frau geworden wäre, die ich heute bin. Ich wäre eine andere. Jemand, den ich wohl gar nicht erkennen würde.
    Was das Wegstoßen von Menschen anging, hatte sie allerdings recht. Das tat ich seit Langem. Daher dachte ich darüber nach, mir „Hilfe“ zu suchen wie mein Bruder, beschloss aber stattdessen, in die Kirche zu gehen. Gott hielt mir nicht die Hand entgegen. Nicht umsonst hatte ich ja die Religion aus meinem Leben verbannt. Ich glaubte also nicht etwa, dass der Glaube meine Probleme besser lösen konnte als eine Therapie oder Drogen oder Alkohol. Oder Sex. Es war nur so, dass ich eine Menge mit mir herumschleppte, das ich endlich loswerden musste.
    St. Paul's war eine größere und modernere Kirche als St. Mary's. Zwar habe ich nie geglaubt, dass ein einzelner Mann zu entscheiden hat, ob ich Vergebung verdiente oder nicht, aber ich hatte so sehr das Bedürfnis, endlich darüber zu sprechen, dass ich beschloss, zur Beichte zu gehen.
    Pater Hennessy hatte eine angenehme Stimme, ein bisschen heiser und ruhig. Er klang nett und gar nicht gelangweilt, obwohl ich den Beichtstuhl erst betrat, nachdem die Kirche sich geleert hatte und er zu diesem Zeitpunkt des Zuhörens bereits müde sein musste.
    „Vergib mir, Pater, denn ich habe gesündigt. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal gebeichtet habe.“
    Und dann redete ich sehr, sehr lange.
    „Bist du in der Lage, dir selbst zu vergeben?“, fragte er schließlich. „Denn natürlich kann ich dir vergeben und auch der liebe Gott, aber wenn du dir nicht selbst vergibst, nützt es nichts.“
    Ich nickte, meine Finger schmerzten, so sehr hatte ich sie die ganze Zeit verkrampft. „Ja, Pater, ich weiß.“
    „Hast du dir professionelle Hilfe gesucht?“
    „In letzter Zeit nicht, Pater.“
    „Aber du hast eine Therapie gemacht.“
    Ich lachte leise. „Damals, als es passierte, ja.“
    „Und es hat dir nicht geholfen?“
    „Man hat mir Medikamente gegeben, Pater, aber …“ Ich brach ab.
    „Ah.“ Er schien zu verstehen. „Du weißt, dass es nicht deine Schuld ist, oder?“
    „Ich weiß. Ja, ich weiß.“
    „Und trotzdem kannst du die Schuld nicht loslassen?“
    „Offenbar nicht, nein.“
    Wir schwiegen einen Moment, dann sprach er erneut: „Wie unser Herr wurdest du von Dornen und Nägeln durchbohrt. Du kannst sie herausziehen, aber sie hinterlassen Wunden. Und du, mein Kind, hast so viele Wunden, dass du befürchtest, ohne sie nichts mehr zu sein. Habe ich recht?“
    Ich stützte die Stirn in die Hände und wisperte: „Ja.“
    „Als unser Herr Jesus vom Kreuz genommen wurde, hatte auch er Wunden. Aber er erhob sich wieder durch die Liebe seines Vaters, und das kannst du auch.“
    Heiße Tränen tropften auf meine Hände, ich lachte erstickt auf. „Sie vergleichen mich mit dem Sohn Gottes?“
    „Wir alle sind Kinder des Herr?“, entgegneter der Pater. „Jeder Einzelne von uns. Der Herr Jesus starb für unsere Sünden, damit wir es nicht tun müssen. Verstehst du?“
    Ich beneidete alle, die diese Antwort akzeptieren konnten, die daran glaubten, dass das Blut des Erretters alles wegwaschen konnte. Mir kam das wie ein weiteres Märchen vor, doch das sagte ich dem Pater nicht. Er glaubte schließlich fest daran.
    „Ich bin es leid, so zu fühlen,

Weitere Kostenlose Bücher