Disco Dracula
Härchen im Nacken stellten sich aufrecht. Staub rieselte von oben auf mich nieder. Brach das Gebälk vielleicht durch?
Ich schielte hoch, aber da lag die Dunkelheit wie eine schwarze dichte Watte.
Hart kämpfte ich weiter, rutschte einmal mit den Füßen aus und wurde von den Fesseln gehalten. Die Schultern konnte ich besser anspannen.
Um diese Partie herum hatten sich die Stricke bereits stärker gelockert, als am übrigen Körper.
Wenn das so weiterging, dann schaffte ich es vielleicht.
Die Kerze war bereits so weit heruntergebrannt, dass nur noch ein daumenhoher Stummel auf dem Boden stand. Da die Kerze nicht weit von mir entfernt stand, wurde sie von den Ausläufern meines keuchenden Atems getroffen. Die Flamme flackerte, zeigte sich manchmal waagerecht, so dass ich befürchtete, sie würde verlöschen.
Ich musste einfach pausieren.
Die letzten Minuten hatten mich sehr angestrengt, meine Kräfte waren ziemlich verschlissen, ich wollte erst neue sammeln.
Und da hörte ich das Geräusch.
Es übertönte selbst meinen keuchenden Atem, und es war nicht hier auf dem Speicher aufgeklungen, sondern unter mir.
Vom Gang her erreichte es mich.
Ich blieb steif stehen und bemühte mich auch, meinen hastigen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Dabei spitzte ich die Ohren, und vernahm das Geräusch jetzt deutlicher.
Es waren Schritte.
Genau, daran gab es keinen Zweifel, und sie verstummten plötzlich. Und zwar an der Stelle, wo auch die Leiter den Boden berührte.
Das wurde interessant.
Kam der Vampir zurück, um mich in sein finsteres Reich zu ziehen? Vor meinem geistigen Auge sah ich wieder das schreckliche Gesicht, diese uralte Fratze, und ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich nicht eben wohl fühlte, hier gefesselt auf einen gefährlichen Blutsauger zu warten.
Jetzt kam er die Leiter hoch.
Schritt für Schritt. Ich hörte genau, wenn er eine Sprosse hinter sich gelassen hatte und die neue in Angriff nahm.
Mein Blick war schräg nach rechts gewandt, wo sich auch der Rand des Speichers befand. Dort genau musste er in den nächsten Sekunden auftauchen.
Ein Gesicht sah ich nicht.
Allerdings zwei Hände.
Normale Hände und nicht die Klauen des uralten Vampirs mit dem grässlichen Gesicht.
Mich durchzuckte plötzlich ein wilder Gedanke der Hoffnung. Vielleicht erschien dort ein Mensch, der irgend etwas bemerkt hatte und mich retten wollte.
Das wäre natürlich optimal gewesen, und ich war gespannt wie ein Bogen.
Das Gesicht.
Vom flackernden Widerschein der Kerze wurde es erfasst, ließ die Hälfte im Schatten, aber ich erkannte es.
Es gehörte Christian Schwarz!
Mir fiel im ersten Augenblick ein Stein vom Herzen. Das war natürlich das beste, was mir passieren konnte. Der Kommissar kam und würde mich befreien.
»Endlich«, sagte ich. »Lange hätte ich es hier nicht mehr ausgehalten, Meister.«
»Kann ich mir denken.« Seine Stimme klang ruhig, völlig normal.
»Binden Sie mich hier endlich los. Ich komme mir vor wie ein Trapper am Marterpfahl.«
Er lachte und kletterte dabei auf den Speicher, wobei er zuerst das rechte und dann das linke Bein hochschwang.
Schließlich stand er vor mir. Drei Schritte trennten uns nur. Schwarz sah aus wie immer. Er trug noch die gleiche Kleidung, seine Arme pendelten rechts und links des Körpers. Er machte mir einen ziemlich erschöpften Eindruck. Kein Wunder. Vielleicht hatte der Mann ebenso Schweres hinter sich wie ich.
»Haben Sie ein Messer?« fragte ich. »Damit können Sie die Stricke besser zerschneiden.«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann müssen Sie es so versuchen.«
Er nickte und kam näher.
Irgendwie gefiel mir dieser Mann nicht mehr. Es war ein Gefühl, aber im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, auf meine Gefühle und meinen Instinkt zu achten.
Einen Schritt vor mir blieb er stehen und schaute mich an.
Auch ich sah ihn jetzt besser, schaute in ein bleiches Gesicht, dessen Farbe ich selbst bei dieser schlechten Beleuchtung erkannte.
»Drago hat mich geschickt«, sagte Schwarz. »Er will, dass ich dich besuchen komme.« Im gleichen Augenblick lachte er los, öffnete dabei den Mund und präsentierte mir seine beiden spitzen Vampirzähne.
Da wusste ich, dass es jetzt um alles ging!
***
Die große Reklameaktion hatte gefruchtet.
Innerhalb der Stadt war es wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund gegangen, dass an diesem bewussten Samstag in der Disco Dracula die Superschau geboten wurde.
Nicht weit von der Disco weg, in Gelsenkirchen-Heßlar, gab es
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