Disco Dracula
wie fröstelnd die Schultern.
Sein Kollege nickte. Er hatte am meisten Angst. Selbst im Kerzenlicht sah sein Gesicht bleich aus.
»Fasst an!« forderte Heinz Grattner seine Leute auf. »Wir haben nicht viel Zeit.«
Sie teilten sich die Arbeit. Grattner und Bittl nahmen einen Sarg. Der andere wurde von den zwei Helfern getragen, die sonst in der Disco bedienten.
Jetzt hätten sie gern einen Fahrstuhl gehabt, doch sie mussten die Treppe hoch.
Grattner fluchte, während die anderen keuchten. »Verdammt, ist das Ding schwer.«
»Vielleicht liegt einer drin?« meinte einer der Kellner. »Ich habe bei uns im Sarg was bumsen hören.«
Roland Bittl, der Vampir, musste die Situation entschärfen und nahm den Ball auf. »Im Sarg wird nicht gebumst.«
»Wetten doch?« Eine dumpfe Stimme erklang. Grattner hatte gesprochen.
Die Männer lachten.
Unter großen Mühen schafften sie den Sarg in die Räume über die eigentliche Disco. Den normalen Weg nahmen sie nicht, denn sie wollten die Totenkisten nicht durch die Disco und die Küche schleppen.
Roland Bittl und Heinz Grattner gingen noch einmal zurück in den Keller, um den dritten Sarg hochzuholen. Dem Vampir fiel es sichtlich schwer, den vor ihm gehenden Mann nicht anzufallen. Manchmal bewegte er seinen Mund, zog die Oberlippe zurück und präsentierte seine spitzen Zähne. Da Grattner im Rücken keine Augen besaß, konnte er Bittl auch nicht sehen.
Der Disco-Chef war blendender Laune. »Ich freue mich wirklich, dass du gekommen bist, Roland. Ich hatte vielleicht einen Schiss, dass du mich sitzenlassen würdest, aber…«
»Unsinn, Chef. Was ich verspreche, das halte ich auch.«
Grattner blieb stehen, wischte mit dem Handrücken Schweiß von seiner Stirn und drehte sich um. »Seit wann sagst du Chef zu mir?«
»Fiel mir nur gerade so ein.«
»Die Schau wird doch gut - oder?«
»Sie wird das beste, was die Disco je zu bieten hatte.« Der Vampir grinste schmal. Allerdings so, dass man seine Zähne nicht sah.
»Ich habe auch genügend getrommelt.« Grattner blies ein kaum sichtbares Spinngewebe zur Seite. Dann rieb er seine Hände. »Los, schaffen wir den nächsten Sarg hoch, und dann müssen wir die Dinger noch befestigen. Die Handwerker haben bis gestern geschuftet, um das Loch in den Boden zu stemmen, aber es hat sich gelohnt. Wirklich. Die Leute werden zufrieden sein.«
Bittl lächelte nur. Wenn Heinz Grattner geahnt hätte, was wirklich geschehen sollte, dann hätte er die Disco wohl sofort räumen lassen. So aber freute er sich auf die Schau.
Es sollte die letzte in seinem normalen Leben sein.
***
Freunde, mir ging es schlecht!
Da kam ich zum ersten Mal ins Ruhrgebiet, nach Gelsenkirchen, und man schlug mir schon einen über den Schädel. Und das nicht zu knapp, denn ich war ziemlich lange bewusstlos gewesen. Man hatte mich auch noch gefesselt. Mit starken Stricken an einen Balken gefesselt, die vielleicht Hercules zerrissen hätte, ich nicht.
Als ich zum ersten mal die Augen öffnete, schaute ich auf eine sich bewegende rotschwarze Wand. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, bis ich schließlich entdeckte, dass es keine Wand war, sondern eine Kerze, die in der Dunkelheit auf dem Boden stand und ihr Licht verbreitete.
Sie schuf eine tanzende Helligkeit und ebenso viele Schatten, die wie geisterhafte Gestalten auf dem Boden in zahlreichen Ecken und Nischen lauerten.
Der Vampir war verschwunden.
Als er mir wieder einfiel, da spürte ich auch die Schmerzen. Es war ein Gefühl, das ich kaum kannte, höchstens nach einer langen Nacht. Dabei konnte ich meinen, der Kopf wäre um das Doppelte angewachsen, doch es war nur der taube, dumpfe Druck, der sich ausgebreitet hatte.
Der Schweiß klebte mir noch so auf der Haut. Meine Stellung war unbequem, denn ich fiel trotz der Fesseln ein wenig nach vorn.
Fesseln war das Stichwort.
Ich musste nachschauen. Wie hatte man mich überhaupt gebunden?
Der Marterpfahl kam mir in den Sinn. Tatsächlich hing ich an dem Balken wie an einem Marterpfahl. Nur die Beine konnte ich bewegen. Die Hände waren noch extra auf meinem Rücken zusammengebunden, und zwar so stramm, dass ich sie kaum bewegen konnte.
Natürlich fiel mir wieder der Vampir ein. Mein Gedächtnis hatte unter dem Hieb nicht gelitten. Ich dachte an die schauerliche Fratze, die vor mir aufgetaucht war, als ich mit der Taschenlampe leuchtete. Sie hatte wirklich ein Bild des Grauens geboten. In meiner Laufbahn waren mir schon grässliche Wesen begegnet, aber das
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