Disco Dracula
gespielt wurde?
Ich wollte noch fragen, doch die Ereignisse ließen mir keine Zeit. Denn jetzt begann der eigentliche Höhepunkt der Schau.
Ro Bittl, der Discjockey, hatte von Drago und den beiden Vampirschwestern gesprochen.
Und es sollte nun soweit sein.
Drei Särge hingen unter der Decke. Alle drei senkten sich nach unten.
Auch ich wurde irgendwie von den Vorgängen mitgerissen und ertappte mich dabei, wie ich den Atem anhielt.
Die Särge stoppten.
Sie wippten noch einmal nach, dann war es vorbei. Jetzt würde die große Horror-Schau starten.
Ich räusperte mich leise. Niemand hörte es. Alle Gäste schauten auf die drei Totenkisten, von denen die mittlere besonders hervorstach. Die Sargdeckel bewegten sich. Gleichzeitig, als hätte jemand ein Kommando gegeben, rutschten sie den Fußenden der Särge zu, damit sie ihre schaurige Fracht entlassen konnten.
Atemlose Stille der Zuschauer.
Nur ein fernes Singen war zu vernehmen. Der Totenchor der verzweifelten Seelen.
Und dann die Explosion der Musik. Ein schauriges Heulen, ein Wimmern und Kreischen, dazwischen der Paukenschlag, Begleitung für den Auftritt der Blutsauger.
Sie kamen.
Jeder sah es, auch ich. Im mittleren Sarg tat sich zuerst etwas. Eine Hand erschien. Zu einer Klaue waren die Finger gekrümmt. Der Lichtkegel konzentrierte sich auf sie, und jeder sah die langen, spitzen Nägel.
Obwohl ich bisher nur die Hand sah, war ich dennoch sicher, Drago, den uralten Vampir, vor mir zu haben. Ihm hatte ich den Schlag gegen den Schädel zu verdanken, und er trug auch die Schuld daran, dass Kommissar Christian Schwarz zu einem Blutsauger geworden war.
Ich tastete nach meinen Waffen.
Beretta, Kreuz, der Dolch - alles war noch vorhanden. Wenn es zu einem Kampf kam, dann war ich wirklich nicht wehrlos. Ich würde es ihnen schon zeigen, diese verfluchten Blutsauger sollten sich wundern. Sie würden keinen mehr töten, dafür wollte ich allein sorgen, das schwor ich mir.
Kam er?
Nein, Drago wartete noch. Der alte Vampir machte es spannend. Er lauerte darauf, dass auch seine Helferinnen die Särge verließen. Die ließen sich nicht länger nötigen.
Sie schoben ebenfalls ihre Deckel weiter zurück, damit sie Platz hatten, aus den Kisten zu steigen.
Atemlose Spannung erfüllte die Zuschauer.
Wieder erschienen Hände. Diesmal jedoch waren es keine alten Totenklauen, sondern normale Finger wie die eines jungen Menschen.
Im Licht waren sie deutlich zu erkennen, wie sie sich bewegten, zur Faust ballten, sich wieder öffneten und das Spiel von vorn begannen.
Ich fröstelte plötzlich, denn ich spürte die Kälte, die sich ausbreitete.
Die Kälte des Todes…
Mein Gott, wenn die Blutsauger gleich ihre Särge verließen, dann würde die Hölle los sein. Aber wie sollte ich es verhindern? Noch hatte ich nicht den Beweis, dass hier eine echte Horror-Schau ablief. Aber das Gefühl der Angst wurde stärker. Unsichtbar lag es über dem Gewölbe. Darin die Musik.
Noch immer spielte sie. Ich hörte plötzlich Glockenschläge, die mir bekannt vorkamen.
So schlug nur der Big Ben in London. Doch das Geräusch klang aus den Lautsprechern.
Es wirkte wie ein Startzeichen, denn in diesem Augenblick richteten sich zwei Vampire auf.
Die beiden weiblichen!
Plötzlich saßen sie in ihren Totenkisten, die Gesichter den Zuschauern zugewandt, und auch ich konnte sie erkennen.
Eine hatte rötlichblondes Haar, die andere war dunkelhaarig. Bleich wirkten die Gesichter trotz der violetten Beleuchtung. Mir kamen sie fahl vor, wie die der Toten.
Mein Blick flog zu Roland Bittl. Er stand noch immer in seiner Box, jedoch hatte er sich vorgebeugt, um besser sehen zu können. Die Augen wirkten mir seltsam kalt, und ich glaubte das Glitzern darin zu sehen.
Das Mädchen neben mir im Kreis der jungen Männer fürchtete sich. »Ich habe Angst«, hörte ich es flüstern. »Sollen wir nicht weggehen, Roland.«
»Nein, Silvia. Das geht nicht.«
»Und warum nicht?«
»Ich bin der Leiter eines Horrorclubs. Wie sähe es aus, wenn ich hier plötzlich verschwinden würde. Die Leute würden mich auslachen.«
»Aber es passiert was ganz Schreckliches, Roland. Das spüre ich genau.«
»Noch ist nichts geschehen.«
Das Gespräch hatte ich mit halbem Ohr mitbekommen. Ich achtete mehr auf das Geschehen über der Tanzfläche, denn aus den Särgen stieg das Grauen.
Das Grauen in Gestalt zweier Mädchen.
Es war nicht ganz einfach, sich in den Totenkisten auf die Füße zu stellen, denn die
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