Disco Dracula
ausgestreckte Finger wies in Richtung Totenkiste.
Fast alle Augenpaare folgten ihm. Jeder wollte sehen, wo Drago angeblich lag.
Als wäre die Bewegung ein geheimes Zeichen gewesen, so setzten sich die Särge wieder in Bewegung.
Langsam glitten sie tiefer…
Bittl drehte die Hintergrundmusik lauter. Eine gespenstische Drohung lag in der Musik, die gleichzeitig auch schrill klang, und das Niedersinken der Särge begleitete.
Manchen kam es vor, als wären die drei Totenkisten eingehüllt in die Musik des Wahnsinns.
Fast jeder hielt den Atem an.
Augen wurden starr. Finger krallten sich hart um die Gläser. Lippen standen halb offen. Die Blicke der weiblichen Gäste waren skeptisch, die der männlichen lauernd, gespannt oder abwartend.
Das Gefühl des Grauens wurde stärker. Es kam wie eine Woge und erfasste jeden Winkel der Disco. Jeder merkte es, jeder spürte es.
Hier näherte sich etwas…
Hier war etwas.
Hier kam etwas.
Da, die Särge wurden gestoppt.
Noch leicht schwangen sie nach. Scheinwerferkegel packten sie wie gierige Finger, die nicht mehr loslassen wollten.
Die Spannung unter den Gästen stieg.
Manche Gesichter glänzten schweißnass. Wie rote Punkte glühten die Spitzen der Zigaretten auf, wenn die Raucher hastig an ihnen zogen, um ihre Nervosität zu unterdrücken. Selbst das Klicken des Feuerzeugs wurde als störend empfunden, denn die Musik war von Ro Bittl fast abgedreht worden.
Das Böse machte sich breit!
Atmen, manchmal unterdrückt, dann wieder heftig ausgestoßen. Träge zogen blaugraue Rauchschleier durch das Gewölbe und quirlten vor den Scheinwerfern als Wolken.
Noch steigerte sich die Spannung. Dicht vor dem Siedepunkt stand sie.
Auch Heinz Grattner wurde von ihr erfasst. Er merkte nicht, wie er eine Zigarette nicht angezündet hatte und sie mit den Fingern zerkrümelte.
Der Tabak fiel auf die Theke.
Und auch die Mitglieder vom Horror-Club waren ungewohnt schweigsam geworden. Uwe Kientopf umklammerte seinen Eichenpfahl wie einen Rettungsanker.
Die Musik wurde wieder eingestellt.
Gesang abermals…
Der Totenchor verdammter Seelen schien aus den Lautsprechern zu dringen. Die Disco war erfüllt von einer Aura des Bösen, und Ro Bittl, der Vampir, triumphierte.
Er hatte es in der Hand, er konnte es steuern. Das Mikro hielt er dicht vor seine Lippen. Er sprach nicht mehr laut, sondern flüsternd, nachdem er die Musik etwas zurückgedreht hatte.
»Sie kommen gleich. Drago und die beiden Vampirschwestern, mit denen ich den Walzer getanzt habe. Sie wollen an die Stätte ihres großen Triumphes zurückkehren.«
Dann, ein plötzlicher Sturm der Musik. Ein Heulen fegte durch das Gewölbe, dazwischen ein Paukenschlag, der das Donnern verkünden sollte. Das Licht begann zu flackern, ging an manchen Stellen ganz aus, zuckte ein paarmal und jeder sah, wie sich die Sargdeckel langsam hoben und zum Fußende der Totenkisten hingeschoben wurden.
Im mittleren Sarg tat sich zuerst etwas. Aus dem entstandenen Spalt schob sich eine grüngraue Hand mit gekrümmten Fingern…
***
Ich hatte die Disco betreten.
Zuerst sah alles normal aus. Dunkles Licht, viel Rauch, Stimmengewirr, Musik, die jedoch nicht in eine normale Discothek hineinpasste.
Es waren Horrorklänge…
Links vom Eingang befand sich die Kasse. Das Mädchen dort hatte mich noch gar nicht gesehen. Es drehte mir den Rücken zu und schaute in das Gewölbe hinein, dessen Decke geschwungen war und wie Wellen auf und niederlief.
Ich tippte die Kleine mit dem Zeigefinger gegen den dritten Wirbel von oben, und sie erschrak so heftig, dass sie mit einem Aufschrei herumfuhr und mich anstarrte wie einen Geist.
Meist lächeln Geister nicht, ich tat es. »Darf ich um eine Eintrittskarte bitten?« fragte ich höflich.
»Ja, ja, entschuldigen Sie. Natürlich…«
Sie tippte was in ihren Apparat, und ich musste zehn Mark bezahlen.
»Der Eintritt wird auf den Verzehr angerechnet«, erklärte sie mir und deutete zur Garderobe. »Dort müssen Sie Ihre Jacke abgeben, mein Herr.«
Ich blieb stehen. »Machen Sie Spaß, junges Fräulein?«
»Nein, es ist hier so üblich.«
»Ich werde meine Jacke nicht abgeben, sondern sie anbehalten.«
»Aber Sie müssen…«
Hart schaute ich sie an. »Nichts muss ich. Sie können mich nicht dazu zwingen.«
Da wurde sie ruhig.
Normalerweise hätte ich ja die Jacke abgegeben, aber ich konnte mir nicht leisten, mit einem Revolver herumzulaufen und auch noch mit einem Messer.
»Viel Spaß«, wünschte
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