Disco Dracula
als fernes Hintergrundgeräusch zu hören.
Dumpf, klagend…
Die richtige akustische Untermalung für den großen Auftritt. Auch die Optik kam nicht zu kurz. Ro Bittl, selbst Vampir, spielte wieder am Lichtpult. Scheinwerferstrahlen wanderten, drehten sich, kreisten, zuckten vor wie lange Finger und suchten ihr Ziel.
Sie pendelten sich auf die drei Särge ein, und Bittl wechselte den Filter.
Nicht mehr rotes, sondern violettes Licht strahlte jetzt, die Totenkisten an.
Der Vampir griff zum Mikro. Noch hatte niemand bemerkt, was mit ihm los war. Die Mitglieder vom Horror-Club hatte er rechtzeitig von der Spur ablenken können. Er fühlte sich stolz, denn Drago hatte ihm die Regie in diesem Fall überlassen, die er auch weidlich ausnutzen würde, das stand fest.
»Freunde des Horrors, Gestalten der Finsternis, Boten der Nacht«, so begann er seine Ansprache. »Nur noch wenige Sekunden wird es dauern, dann werdet ihr das erleben, was man als Vampirspuk bezeichnet. Die Särge öffnen sich, und drei Blutsauger werden entsteigen. Keine nachgemachten, sondern echte Vampire, das verspreche ich euch. Angst und Entsetzen werden herrschen, und wir beweisen, dass die Disco Dracula ihren Namen zu recht trägt. Aberglaube, sagt ihr? Spinnerei? Sind Vampire wirklich Aberglaube? Ich behaupte das Gegenteil. Die Blutsauger existieren, es gibt sie tatsächlich, liebe Freunde. Ihr braucht nur mich anzuschauen, dann habt ihr den Beweis. Schaut auf meinen Mund, schaut auf meine langen, spitzen Zähne, die danach dürsten euer Blut bis auf den letzten Tropfen zu trinken. Und das ist die zweite Überraschung. Nicht nur in den drei Särgen liegen Vampire, auch ich gehöre zu ihnen…«
Ein paar Gäste lachten. Einige Mädchen etwas zu schrill. Ihnen war die Rede unter die Haut gefahren.
Jemand rief: »Nimm dein Kunststoffgebiss doch mal raus, Roland. Dann werden wir sehen, wie echt du bist.«
»Es gibt kein Kunststoffgebiss mehr«, erwiderte Bittl.
»Das glaube ich nicht.«
Ro drehte sich. Der Sprecher stand dicht an der Tanzfläche und schaute zu ihm hoch. Es war Erwin, der Disco-Tiger, wie sie ihn hier nannten.
Erwin trug eine enge grüne Lederhose und ein Hemd aus ebenfalls grünem schillernden Stoff. Um den Hals hatte er sich eine Kette mit zahlreichen Kugeln gehängt, die bei jeder etwas heftigen Bewegung aneinanderklirrten.
»Möchtest du zu mir hochkommen, Disco-Tiger? Bitte, du kannst es. Überzeuge dich selbst.«
Erwin verzog das Gesicht und wühlte mit fünf Fingern durch sein braunes Haar. Das war nun nicht nach seinem Geschmack. Zahlreiche Augenpaare beobachteten ihn.
»Was ist denn?« fragte Ro Bittl.
Von hinten wurde Erwin geschubst.
»Mach schon, du feiger Sack«, sagte jemand.
Doch Erwin wollte nicht. Er wusste selbst nicht, wieso er sich nicht traute, den Beweis für seine Behauptungen anzutreten. Irgend etwas hielt ihn davon ab. Vielleicht war es ein dummes Gefühl, eine innere Warnung, er schüttelte den Kopf und grinste. »Du hast recht, Ro, ich glaube dir.«
»Schade«, erwiderte Bittl. »Ich hätte dir gern das Gegenteil bewiesen.«
Andere Gäste lachten. Dieses kleine Intermezzo hatte sie von den Särgen abgelenkt.
Auch Heinz Grattner war zufrieden. Er hatte ebenfalls einen günstigen Platz eingenommen und war gespannt, wie die Schau weitergehen würde. Da war ja nichts geprobt, er wollte sich selbst überraschen lassen und wunderte sich, dass Ro Bittl so eine Schau abzog. Der Junge war wirklich klasse. Das stellte Grattner wieder einmal fest, und er beschloss, ihn unter allen Umständen zu halten. Vielleicht konnte man sogar mit dem Gehalt noch um einen Tausender höher gehen.
Er schob der Bedienung sein leeres Glas hin, wobei es sofort gefüllt wurde.
Dann konzentrierte sich Grattner wieder auf die Schau und ihren Macher.
Roland Bittl hatte gewonnen, er war der Mann mit dem Trumpf, der Disco-Tiger hatte sich nicht getraut, und so etwas nutzte Bittl weidlich aus.
»Ihr seht selbst, Freunde der Finsternis, dass heute einiges anders ist. Das Grauen ist echt, stark und überall im Raum vorhanden. Kennt ihr Drago, den Vampir? Den uralten Blutsauger, der vor über vierhundert Jahren in diesem Gewölbe eingemauert wurde?« Bittl ließ seine Worte wirken. Als sich niemand meldete, begann er zu lachen. »Ich sehe schon, ihr kennt ihn nicht, aber ihr werdet ihn bald kennenlernen. Drago befindet sich in dem mittleren Sarg.« Während er das sagte, beschrieb sein rechter Arm einen Bogen, und der
Weitere Kostenlose Bücher