Frau auftat, die ein gewisses Alter überschritten hatte. Frau sprach nicht über die Anzahl der Jahre, die sie auf dem Buckel trug, niemals. Und schon gar nicht in Gegenwart eines potentiellen Fanges. Alleine anzudeuten, dass die eigene Aufmerksamkeit sich von der allgemeinen Achtsamkeit und der modern gesunden Lebensführung, auf die schlicht notwendige Schadensbegrenzung, die der unwiderruflich eintretende Verfall des Körpers mit sich brachte, beschränkte, bedeutete den Todesstoß für jede auch nur in Erwägung gezogene Romanze.
Camilla fühlte das Bedürfnis, sich ihre eigene Zunge abzubeißen. Sie konnte es nicht glauben, dass sie tatsächlich Osteoporose erwähnt hatte. Ebenso gut hätte sie auch über ihren bevorstehenden Einzug ins Seniorenstift sprechen können. Nicht dass sie das vorhatte. Aber nach diesem Abend konnte sie die Hoffnung auf einen Lebensabend, der etwas anderes als Kaffeekränzchen und Gruppensingen beinhaltete, wohl endgültig aufstecken.
So grübelte Camilla düster vor sich hin, bis ein leises Räuspern sie zwinkern und aufblicken ließ. Camilla begegnete einem belustigten Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ, dass Thorsten ihre Verlegenheit durchaus aufgefallen war.
Nichtsdestotrotz räusperte er sich erneut und nickte dann in die Richtung seines Tellers.
„Das sieht sehr gut aus“, meinte Thorsten charmant und Camilla glaubte zu bemerken, wie sich der Rotton ihrer Haut intensivierte.
Thorsten fasste todesmutig die schlanke Vorspeisengabel, sammelte eine der Scheiben so gut es ging auf diese und balancierte sie zum Mund.
„Mm“, murmelte er dann und schluckte, leckte sich nachdenklich die Lippen. „Äußerst delikat.“
Und lächelte wieder, so dass Camilla nicht sicher war, ob oder inwieweit er es ernst meinte.
Also folgte sie seinem Beispiel und führte eine Gabel, mit der sie ein ausgefranstes und weiß–grün betupftes Stückchen Lachs aufgespießt hatte, zum Mund.
„Das soll so sein“, murmelte sie, bevor sie kostete. „Die Vermählung von Haute Cuisine mit der Vertrautheit des Alltags ergibt den Hauch Klassik, den sich jedermann insgeheim wünscht.“
„Und jede Frau“, ergänzte Thorsten und zwinkerte wieder.
Camilla zwinkerte zurück, kaute rasch und schluckte. Schluckte wieder.
„Verflixt“, entfuhr es ihr.
„Was ist denn?“ Thorsten zog fragend die Augenbrauen hoch.
Camille biss sich auf die Unterlippe und schlug dann die Augen nieder. „Ich habe den Meerrettich vergessen“, stieß sie dann betreten hervor. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Jetzt schmeckt es nach … nichts.“
Als Thorsten sich vorbeugte und ihr eine lose Strähne aus der Stirn strich, zuckte sie zurück und sah ihn groß an. Er lächelte wieder und warf dann einen Blick zu der fest verschlossenen Küchentür.
„Ich dachte mir schon, dass es nicht so einfach war“, meinte er dann.
Camilla blinzelte. „Aber, wie kommst du darauf?“, versuchte sie möglichst unbeeindruckt zu erscheinen.
„Nun.“ Thorsten räusperte sich wieder und gab ihr dann mit dem Zeigefinger einen Stups auf die Nasenspitze. „Ich ging davon aus, dass Petersilie auf der Nase und Quark in der Frisur nicht zu deiner üblichen Aufmachung gehören.“
Wenn Camilla nicht schon knallrot gewesen wäre, dann hätte ihr Gesicht spätestens jetzt diese Farbe angenommen.
„Ich … also … was das Kochen angeht …“
Thorsten legte ihr sanft seinen Finger auf die Lippen und schüttelte leicht den Kopf. „Ist schon in Ordnung. Ich helfe dir dabei, die Küche aufzuräumen.“ Er lachte leise. „Liege ich richtig damit, dass das dein momentan größtes Problem darstellt?“
Camilla nickte verlegen und Thorsten lachte wieder, worauf Camilla sich ein Herz fasste. „Das hat aber Zeit“, schlug sie vor, „vielleicht sogar bis morgen früh?“
Worauf Thorsten lachend seinen Kopf schüttelte. Doch an der Art, wie die klein en Fältchen um seine Augen ein belustigtes Muster entwarfen, erkannte Camilla, dass ihre Bemühungen, wenn auch anders als sie erwartet hatte, letztendlich von Erfolg gekrönt waren.
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