Diverses - Geschichten
vor unseren Gitterstäben auftauchen, den gigantischen Händen, die uns das Futter reichen, den seltsamen Behältnissen, in denen wir durch die Welt reisen, wenn man uns denn einen Blick über den Zaun gönnt.
Ein reiches Leben, ein interessantes Leben. Ein Leben hinter Gittern, und doch ein von einer höheren Macht zu einem Zweck erschaffenes, den wir nicht mal erahnen können.
Und doch bleibt da die Sehnsucht nach etwas anderem, etwas Größerem, eines Raumes, der sich in die Weite erstreckt, einer Wüste, die uns gehört, in der wir frei sein können, frei von allen Gittern, Zwängen und Beobachtern. Frei und auf uns selbst gestellt, so wie die Natur es für uns vorgesehen.
* * *
Eine ganz normale Familie
“Igittigitt! Da sind ja Stückchen drin!”
Stefan brüllte aus voller Kehle.
“Das trink ich nicht, das trink ich nicht!”
Die Mutter, ein Ausbund an Geduld und liebevoller Fürsorge entfernte sanft das soeben zubereitete Glas Bananenmilch aus des geliebten Sohnes Blickfeld.
“Ich habe Hunger”, plärrte die kreischende Stimme des Sprösslings lautstark.
“Was möchtest du denn, mein Schatz?”
Ein stetes Lächeln auf den Lippen, beugte Elvira sich zu dem kleinen Rotschopf hinab, der zwischen Fernseher und Playstation noch Platz genug fand, zahllose winzige, kaum noch mit der Lupe erkennbare Lego Kleinteile in regelmäßigen Abständen zwischen den langen Haaren des Eisbärimitatteppichs zu verteilen.
“Chips natürlich”, die prompte Antwort. “Chips und Cola, aber ein bisschen plötzlich.”
“Meinst du nicht, das ist ein wenig ungesund für dich, auf die Dauer...“
Die gute Frau zögerte.
“Denk nur an dein Wachstum, das Calcium, die...”
“Ach, du hast doch keine Ahnung”, erklärte Stefan missmutig.
“Papa sagt das auch immer.”
“Ja, wenn Papa das sagt...”
Elvira seufzte leise in sich hinein, sorgsam darauf bedacht, das zuckersüße Lächeln, das sie gewohnt war zu tragen, beizubehalten.
Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass ihr Söhnchen sich ausnehmend prächtig entwickelte und geradezu vorbildlich wuchs und gedieh, möglicherweise wären ihr doch hin und wieder Zweifel an dem Benehmen ihres einzigen und Erstgeborenen gekommen.
Doch so wie es war, so sollte es auch sein. Genau das hatte man ihr mehrfach aus erfahrener, übergeordneter Höhe heraus versichert.
Kinder brauchten Freiraum, um sich entwickeln zu können. Grenzen schränkten die Kreativität, das empfindliche Gemüt eines Heranwachsenden in geradezu gefährlichem Maße ein.
Elvira nickte stumm, als sie sich die Worte und strengen Gesichter ihrer Eltern und Schwiegereltern ins Gedächtnis rief.
Wenn jemand wissen musste, wie die Welt funktionierte, so waren sie es, hatten sie doch gemeinsam bereits mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel.
“Wird’s bald?”, krähte der Sprössling aus dem Hintergrund, als Elvira Kartoffelchips und Limonade auf einem Tablett anrichtete.
“Ich komme schon, mein Süßer”, flötete sie mild und beugte sich, nachdem sie das Tablett auf dem niedrigen Couchtisch abgestellt hatte, natürlich ohne ihrem Kleinen die Sicht auf den Monitor zu versperren, hinunter zu ihm, um ein Küsschen auf der frischen, rosigen Wange des Sohnemannes zu platzieren.
Rumms!
Das Tablett flog zu Boden, die Limonade ergoss sich über die knusprigen Chips, die sich munter mit buntem Spielzeug vermischten.
“Ich hab Cola gesagt, verdammt und zugenäht”, schrie Stefan erbost.
“Ich... wir haben keines mehr, Schätzchen. Aber ich verspreche dir, gleich morgen früh, werde ich neues besorgen.”
“Ich will aber jetzt!”
Wütend stampfte das Kind mit dem Fuß auf.
“Ich will, ich will, ich will.”
“Aber...”
“Was herrschte denn hier für ein Geschrei?”
Ärgerlich erhob der Vater die Stimme, als er sich anschickte, die Treppen hinunter zu poltern.
“Sieht denn keiner ein, dass ich arbeiten muss. Was ist das für ein Saftladen hier?”
“Saftladen, Saftladen”, feixte Stefan.
“Ist schon gut, Herzblatt.”
Elviras Stimme zitterte.
“Reg dich bitte nicht auf, Lieber. Ich hole nur schnell Stefan sein Cola.”
“Nun gut”, brummte es von oben, bereits im Zurückweichen, doch der Herr des Hauses besann sich im letzten Moment noch eines Besseren.
“Vergiss nicht, für genug Bier zu sorgen!”, kommandierte das selbsterklärte Familienoberhaupt aus seiner stolzen Höhe.
“Wenn ich heute Abend nichts Ordentliches zu schlucken kriege, werd ich
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