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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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von den Menschen, die das Land bebauen, die wissen, wo ihr Felsen ruht.
    Wer uns sein eigen nannte, besaß Reichtum, Macht. Wer uns zubereiten durfte, schwelgte in dem Duft, den wir verbreiten, sobald unsere feinsten Moleküle im kräuselnden Dampf gen Himmel steigen.
    Das Getränk der Götter, samten, köstlich, gebraut von fachkundigen Händen, angereichert mit magischen Kräften, Versprechen und Belohnung in einem.
    Doch längst vergangen ist die Zeit, in der die Zeremonien zu unseren Ehren
s,
die Geister erfreuten.
    Lange verloren der Traum, der himmlische Zauber.
    Zu einer simplen Zutat hat man uns erniedrigt. Von weiten Feldern werden wir geerntet, wie Soldaten fallen vor dem Schnitter.
    Landstriche bedeckt von unserem Antlitz. Doch ohne den Zauber, der einst mit unserem Anblick einher ging, ohne die Magie.
    Ein Wirtschaftsobjekt sind wir nun, dem Boden, dem es entwuchs, entrissen. Zusammengepfercht in Massen, verkauft zu dem Preis, den der Markt diktiert. Entführt vor den Augen der Kinder, die darben. Verschifft in Länder, zu Menschen, die nicht sehen, was wir sind.
    Verarbeitet in Maschinen – lieblos verpackt in unzähligen, gleichförmigen Tafeln.
    Gestapelt, feilgeboten, von gierigen Händen den Regalen entrissen.
    Verzehrt als Trost, aus Langeweile, Überdruss.
    Das ist unser Schicksal.
    Ach, könnte ich noch ein letztes Mal den blauen Himmel meiner Heimat sehen, die dunklen Augen eines Wesens, das mich zu schätzen weiß, meinen Kern, meine Seele erkennt. Das mich geschält hat aus der Frucht, geröstet von eigener Hand. Mit Liebe den Trank erschaffen, der Leib und Seele heilt und sättigt.
    Dort wäre ich geliebt, ersehnt, eine Besonderheit. Mein Duft berauschend, mein Innerstes umworben und begehrt mit jeder Faser menschlichen Seins.
    Dort, wo meine Wurzeln sind, dort wo man mich kennt. Dort möchte ich erfahren, was es heißt, dem Kreis des Lebens zu entstammen, der Natur zurückzugeben, was sie dereinst mir gab, damit ich wachsen konnte und gedeihen.
    * * *
     
    Kommissar Schokolade
     
    Der Kommissar zog skeptisch die linke Augenbraue in die Höhe. Sein Gegenüber beobachtete fasziniert wie sie unter dem buschigen Haarbüschel, das ihm in die Stirn fiel, spurlos verschwand.
    „Sie behaupten also, man habe einen Anschlag auf Sie geplant?“
    Herr Fingus fing sich wieder. „Oh ja, so ist es“, gab er eifrig zur Antwort. „Ein grauenhaft brutaler Angriff. Man war sich meiner Schwächen bewusst und nutzte diese schamlos aus.“
    „Aha.“ Der Kommissar machte sich unleserliche Notizen.
    „Und um welche Schwächen – wenn ich fragen darf – handelt es sich?“
    „Nun ja…“ Herr Fingus blickte gehetzt zur Seite, zögerte schließlich peinlich berührt.
    „Es ist diese Sucht, der ich ausgeliefert bin, hilflos ausgeliefert bin. Gewissermaßen als ein tragisches Opfer meiner Umstände. Sehen Sie, werter Herr Kommissar, all das begann in meiner Kindheit. Die Ursprünge des Fluches sind dort zu finden. Denn schon als ich ein kleiner Junge war, wenige Jahre erst zählte…“
    Die Stimme des Erzählers nahm einen verträumten Klang an. Der Kommissar stöhnte innerlich und blickte unauffällig auf seine mahnend tickende Armbanduhr.
    „Alles begann mit einem Schlüsselerlebnis, das sich als unvergesslich in meine Seele prägte“, fuhr Herr Fingus fort und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen.
    „Damals…“ Herr Fingus erwachte aus seiner Trance, sah den Kommissar entschuldigend an.
    „Wissen Sie – es hat mich einige Jahre intensiver Therapie gekostet, den fatalen Mechanismen auf die Spur zu kommen.“ Er seufzte traurig.
    „Nur… es zu wissen bedeutet nicht zugleich, das Problem bewältigen zu können. Sie machen sich keine Vorstellung davon, was es heißt, in dieser Abhängigkeit zu existieren. Denn Leben…“
    Er lachte höhnisch auf. „Leben würde ich das nicht mehr nennen.“
    „Nun ja.“ Der Kommissar betrachtete verstohlen die gediegene Einrichtung, die kristallenen Lüster, geschmackvoll platzierten Orientteppiche.
    „So schlecht werden sie es wohl nicht getroffen haben.“
    Zu spät biss er sich auf die Zunge. Wieder einmal war sein Temperament mit ihm durchgegangen. Er konnte von Glück sagen, wenn sich daraus keine Konsequenzen für seine zukünftige Laufbahn ergaben.
    Herr Fingus schien jedoch seinen Ausrutscher kaum bemerkt zu haben. Zu gefangen war er im Land der Erinnerung. Seine Augen wurden feucht und er schniefte hörbar.
    „Meine Großmutter“, murmelte er

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