Diverses - Geschichten
sich weiß Gott an ihrem Lebensabend mehr als verdient hatte.
Nein, die Situation war alles andere als friedlich, alles andere als das bescheidene Bisschen Gemütlichkeit, das sie sich erhofft hatte.
Und natürlich war wieder dieses Balg daran schuld. Rotkäppchens Großmutter verdrehte genervt die Augen und klopfte gegen die glibberigen Magenwände.
Man sah es schon aus der Ferne. Die knallrote Mütze, verkehrtherum aufgesetzt, das schrie geradezu nach Ärger, nach Aufruhr, Rebellion. Aber war das ein Wunder bei dieser Mutter?
Großmutter seufzte wieder.
Ihre Schwiegertochter, ein Ausbund an Pedanterie. Kein Wunder, dass sie vor lauter Hausputz nicht die Zeit fand, ihr den längst überfälligen Besuch selbst abzustatten.
Nein, stattdessen schickte sie das freche, gedankenlose Kind, welches es selbstverständlich nicht auf dem rechten Weg ausgehalten hatte. Und überhaupt, seit wann ließ man ein kleines Mädchen mit einer Flasche Wein durch die Gegend spazieren? Zu ihrer Zeit war so etwas nicht vorgekommen.
Die Großmutter hätte ihren Kopf geschüttelt, konnte sich jedoch im letzten Augenblick noch bremsen. Man wusste schließlich nicht, wie so ein Wolf auf unbedachte Bewegungen reagieren würde. Sie blickte aus den Augenwinkeln zur Seite, betrachtete skeptisch die kleine, zusammengekauerte Gestalt neben sich.
„Omama?“ Das Mädchen bemerkte und erwiderte den Blick. „Omama, wann kommt der Jäger und holt uns hier raus?“
Die Großmutter seufzte. „Was weiß denn ich, Rotkäppchen. Auf die Männer war noch nie Verlass. Und dann in diesen Zeiten, in denen Wölfe uns im Ganzen verschlucken, ohne überhaupt ordentlich zu kauen?
In Zeiten, in denen man Kuchen nur noch mit Vollkornmehl bekommt und alleine im tiefen Wald hausen muss…“
Diesmal schüttelte sie trotz all ihrer Bedenken den Kopf.
„In diesen Zeiten würde ich mich nicht auf einen erwachsenen Mann verlassen, der in grünen Strumpfhosen durch den Wald schleicht. Nein, Liebes. Wir Frauen müssen die Sache selbst in die Hand nehmen.“
Entschlossen streckte sie ihr Kinn vor. „Mein Kind. Wir werden dieses Untier mit seinen eigenen Waffen schlagen.“
Großmutter räusperte sich entschlossen. Mit energischer Stimme hob sie schließlich an zu rufen.
„Wolf! Wölfchen, kannst du mich hören?“
Der Wolf brummte ungnädig.
Ihn bewusst ignorierend fuhr sie fort.
„Davon abgesehen, dass ich es nicht gerade für die feine Art halte, eine alte Frau einfach so zu verschlucken, würde ich dennoch über meinen Schatten springen und ihnen einen Vorschlag unterbreiten.“
„Wie, was?“ Der Wolf zeigte sich perplex.
„Meine Enkelin und ich sind bereit, uns ohne weiteren Widerstand von dir verdauen zu lassen, wenn du uns dafür noch ein paar Schlückchen von dem guten Tropfen zukommen lässt, den Rotkäppchen in ihrem Korb mitgebracht hat.“
„Hä?“
Mit schmeichelnder Stimme fuhr Großmutter fort. „Mein lieber Wolf, du hättest schließlich auch etwas davon.“
Zeitgleich zu ihren Worten zog sie eine spitze Haarnadel aus dem weißen Dutt und begann damit, den Wolf in alle erdenklichen, empfindlichen Eingeweide zu pieken, die für sie erreichbar waren.
„Autsch, autsch… was soll das?“
„Siehst du“, grinste Großmutter Rotkäppchen an. „Hier herauszukommen dürfte ein Kinderspiel sein. Sobald er betrunken ist, befreien wir uns mit weiblicher List.“
„Ein Gläschen“, rief sie laut.
„He, Alkohol ist nichts für Kinder“, brummte der Wolf trotzig.
„Wie du willst“, antwortete Großmutter und nahm eine zweite Haarnadel zu Hilfe. „Dennoch halte ich dies hier für eine Ausnahmesituation und aufgrund der Umstände sind ungewöhnliche Maßnahmen…“
Ein Schuss peitschte auf.
„Oh!“ Großmutter sah Rotkäppchen erstaunt an.
„Offensichtlich ist der Nachwuchs flinker als gedacht.“ Sie grinste. „Ich werde nie wieder so schlecht über Jägerlatein denken.
* * *
Carlos Kakaobohne
Darf ich mich Ihnen vorstellen?
Carlos Kakaobohne, so lautet mein Name.
Aus einem fernen Land kam ich zu Ihnen gereist, quer über die Weiten des Ozeans, getragen von sanften Brisen, geschoben von lauen Lüften.
Kalt ist es hier, kälter als in dem Land meiner Väter und Großväter. Dort wärmt die Glut der Leidenschaft Mensch und Tier. Kakaopflanzen wachsen hoch hinaus der Sonne entgegen, tragen reiche, volle Früchte, verheißen Erfüllung und Genuss.
Verehrt werden wir seit Urzeiten, gehegt und gepflegt
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